Zur Debatte um Christian Wehrschütz: Journalistische Qualität meint auch Selbstkritik

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Ein denkwürdiges Medienmagazin "Doublecheck" auf Ö1.

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Ein denkwürdiges Medienmagazin "Doublecheck" auf Ö1.

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Das Ö1-Magazin Doublecheck lieferte letzten Freitag ein Gustostückerl öffentlich-rechtlicher Qualität: Es ging um Kriegsberichterstattung, Fake News und Propaganda dabei – und auch um den Fehler des ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz, der einen ZIB1-Bericht über Korruption in der Ukraine mit Fake-Videos russischer Provenienz illustriert hatte. Das Ö1-Medienmagazin lieferte einen Beitrag, wie das Problem unter vielen Gesichtspunkten dargestellt werden muss, und wie schwierig es ist, gerade in der Kriegsberichterstattung journalistisch korrekt zu informieren.

Journalistisch korrekt auch, dass rund um den Fehler des ZIB1-Berichtes auch Wehrschütz, seine Arbeit und seine Reaktionen auf den Fehler thematisiert wurden. Leider stand er selber (im Gegensatz zu anderen Medien) hier nicht für ein Interview zur Verfügung. Kritischer Journalismus bedeutet, sich auch mit der eigenen Branche oder dem eigenen Haus auseinanderzusetzen, und dass dies auf Ö1 „pro domo“ möglich war, sollte dem ORF angerechnet werden.

Auch der FURCHE-Leitartikler hatte ja Wehrschütz kritisiert – und zwar nicht wegen des Fehlers, sondern ob seines Umgangs damit: etwa dass Wehrschütz sich via Kronen Zeitung an die Öffentlichkeit wandte und dort wortreich beklagte, dass er zu Unrecht einer Putin-nahen Berichterstattung geziehen werde. Nochmals: Fehler passieren; und wenn
man damit transparent umgeht, wird niemand einen Stein werfen.

Aber in der Art, wie sich Wehrschütz erklärte, lag auch eine Selbststilisierung als Opfer böser Kritik. Dieser Umgang der Verteidigung – auch und gerade via Boulevard – muss den Medienkritiker auf den Plan rufen. Dass im Ukrainekrieg hüben wie drüben Propaganda zu finden ist, bleibt unbestritten. Aber dass es dennoch eine Asymmetrie gibt – ein Korrespondent in Moskau kann mit Sicherheit nicht so über Korruption in Russland berichten wie Wehrschütz über jene in der Ukraine – muss gerade ein Kriegsberichterstatter in seiner Arbeit ebenso thematisieren. Derartiges war aus Wehrschütz’ Reaktionen nicht zu hören.

Und wenn mittlerweile noch zu hören ist, Doublecheck wäre deswegen so „selbstkritisch“ , weil Wehrschütz bei seinen ORF-Kollegen nicht wohlgelitten sei, kann man sich die Ahnung nicht verkneifen, dass hier „typisch österreichisch“ vernebelt wird: Denn im Doublecheck-Beitrag wurden all diese Aspekte genau angesprochen. Kritische Auseinandersetzung mit Position, Gegenposition usw. ist für Medienqualität unabdingbar. Und hat zu geschehen, sei sie gelegen oder ungelegen. Doublecheck sei Dank, dass diese journalistische Grundregel hier so klar befolgt wurde.

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