Christian-Wehrschuetz-Buch-Wien-22 - © Wikimedia / Nicola Montfort

Zum Fall Wehrschütz: Die „Krone“ als Beichtvater

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Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz saß bei einem ZIB1-Bericht einem russischen Fake-Video auf. Was auf diesen Lapsus folgte, offenbarte Lehrstücke zur Medienqualität.

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Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz saß bei einem ZIB1-Bericht einem russischen Fake-Video auf. Was auf diesen Lapsus folgte, offenbarte Lehrstücke zur Medienqualität.

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Fake News und Krieg – eine unendliche Geschichte. Seit jeher sind Propagandalügen Teil von Kriegsführung. Das ist im Ukrainekrieg nicht anders. Anders ist hingegen, dass in Social-Media-Zeiten der entsprechende Aufwand und die dafür die nötige Kunstfertigkeit, Lügenbotschaften zu platzieren, massiv zugenommen haben. Wer aus dem Krieg berichtet, steht also besonders unter Propaganda-Druck. Und Journalismus ist unter diesen Auspizien besonders gefordert – und gefährdet.

Dass Christian Wehrschütz, der ORF-Korrespondent in der Ukraine, auch einmal Fake News aufsitzt, war da nur eine Frage der Zeit. Die medienethischen Fragen, die sich hier strukturell wie im konkreten Fall auftun, machen das Ganze aber auch zu einem Lehrstück, mit dem sich gerade die Medien sorgfältig auseinandersetzen müssen.

Im Ukrainekrieg ist die Asymmetrie der journalistischen Möglichkeiten mit Händen zu greifen: Wehrschütz berichtete über Korruption bei der Rekrutierung für die ukrainische Armee. Es ist natürlich Aufgabe der Medien, Missstände aufzuzeigen. Gleichzeitig kann man sich ausmalen, wie ungleich schwerer (bis unmöglich) es ist, über analoge Vorgänge in Putins Reich zu berichten. Eine Diktatur weiß sich in punkto medialer Repression quasi systemisch im Vorteil.
Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein Wehrschütz-Bericht aus der Ukraine mit falschem Bildmaterial illustriert wurde, das nicht das zeigt, wovon die Rede war. Allerdings werden ob der Fülle an Fake-Material Fehler wie dieser schwer zu vermeiden sein. Die Frage ist, wie man als Medium, wie als Journalist mit derartigen Fehlern umgeht.

Journalistische One-Man-Shows

Der ORF reagierte auf erste Anwürfe, die Bilder des ZIB1-Berichtes seien falsch, patzig und änderte seine Reaktion erst, als in den sozialen Medien schon eine wilde Debatte darüber stattfand. Christian Wehrschütz seinerseits klopfte sich – nicht ohne Pathos – öffentlich selbst an die Brust: Der Fehler sei „der erste dieser Art in 23 Jahren als Korrespondent“.

Auch Medien und Journalisten machen Fehler. Das ist klar. Gerade deswegen ist so eine Fehlerkultur unabdingbar für Qualitätsmedien. Und hier beginnt das österreichische Lehrstück: Denn obiges Zitat stammt aus einem Brief von Christian Wehrschütz an die „Leserinnen und Leser der ‚Krone‘“. In Österreich wird Absolution erst erteilt, wenn sie im Boulevard stattfindet: Die Krone ist daher der mediale Beichtvater der Nation. Und Sünder Wehrschütz tut Buße dort.

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