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Der Einmarsch der Gladiatoren

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Während die Gladiatoren ihre Schwerter prüften, die Muskeln bewegten und die Taktik ihres Kampfes entwarfen, schlossen die blasierten römischen Zuschauer Wetten ab, welcher ihrer Lieblinge diesmal gewinnen werde. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sind die Sitten manierlicher geworden. An Stelle der Arena treten der Fernsehapparat und die modernen Helden, diesmal als Minister oder Staatssekretäre, Fraktionsführer oder ständige Parteisekretäre verkleidet, rüsten sich, um Rechenschaft über ihre bisherigen Taten abzulegen, Versprechungen abzugeben, den Gegner lächerlich zu machen, ihn zu reizen und die Nutzlosigkeit der feindlichen Anstrengungen plastisch herauszustellen und falls nötig auch breitzutneten.

„Die Opposition gewinnt nicht mehr als 15 Sitze!“ „Ich erhalte 100 bis 150 Mandate!“ trompetet der Gegner zurück. Die Waffen, in diesem Falle die Parteiprogramme, erhalten neuen Glanz, werden sorgsam entstaubt und die staunenden Bürger, die schon lange gewohnt sind, daß alle Gewalten von der ins historische gesteigerten Gestalt eines Staatschefs ausgehen, werden plötzlich zum Schiedsrichter erklärt. Für einen Augenblick dürfen sie die Geschicke ihres Landes mitentscheiden, bis diese wieder in die Domäne geheimster Entschlüsse und einsamer Überlegungen des Elysėe- Palastes zurückfallen.

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