Europa als Ganzes

Der bulgarische Professor der Rechtswissenschaften Katzarov hält zur Zeit seine Vorlesungen in Genf und bringt zwanzig Jahre nach 1945 eine „Analyse“ des Sieges über die Achsenmächte. Einleitend holt er bis 1914 aus, untersucht anschließend den zweiten Weltkrieg, um dann mehr als die Hälfte des Buches der Zeit nach 1945, dem „Kalten Krieg“ und der „Welt von heute“ zu widmen. Es ist keine Geschichte, es sind von einem „Zuschauer“ aneinandergereihte, nicht immer überzeugende, doch sehr anregende kriegsphilosophische, wehrpolitische und auch rein militärische Betrachtungen, gestützt auf Zitierungen aus Literatur und Presse, die oft als bare Münze gewertet werden, wiewohl die Äußerungen von Staatsmännern mitten im Geschehen bekanntlich nur selten hinter die Kulissen blik-ken lassen. Die Kritik an den Alliierten ist stärker als an der Achse, die Schuld an der jetzigen Weltkrise wird vorwiegend dem Westen zugeschrieben. Die Darstellung ist dort wertvoll, wo sie zeigt, daß aus einzelnen Vorgängen nicht auf das Wesen ganzer Geschichtsabschnitte geschlossen werden darf. Die Analyse des Sieges führt zur Feststellung eines verlorenen Friedens: war dies aber zweifellos nach 1918 zutreffend, wird man nach 1945 eher zögern, dasselbe zu sagen, denn die friedenstörenden Kräfte sind zumeist anderer Natur als solche, die dem Abschluß eines Krieges nachwirken. Katzarovs Bekenntnis lautet, Europa müsse sich politischideologisch-wirtschaftlich-kulturell zusammenschließen, und wenn es kein Ganzes wird, müsse es von der Weltbühne abtreten. Der Autor hält nichts von einem Frieden durch Macht, Abschreckungswaffen oder Abrüstung, er fordert eine überstaatliche Organisation mit militärischer Exekutivgewalt: „Die Menschheit ist aber von der Fähigkeit, eine solche zu schaffen, noch weit, sehr weit entfernt.“