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Ohnmächtig

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Dem offenen Konflikt mit den Sandinisten ging Nikaraguas Prä­sidentin Dona Violeta jetzt mit ei­nem Sozialpakt aus dem Weg. Cha-morro kann damit jedoch nicht dem Dilemma entgehen, mit dem sie seit ihrem Amtsantritt vor einem hal­ben Jahr konfrontiert ist: Solange die sandinistische Verfassung in­takt ist, kann sie keines ihrer Wahl­versprechen einlösen.

Der Sozialpakt mit den Sandini­sten ist sozusagen nur die offizielle Bestätigung eines Patts: Chamorro ändert nicht die Verfassung, und die Sandinisten blockieren nicht den Staat - was sie mit ihren drei mäch­tigen Blöcken, der sandinistischen Gewerkschaft unter Lucio Jimenez, der Armee unter Humberto Ortega und der sandinistischen Bewegung unter Expräsident Daniel Ortega, durchaus könnten.

Die sowieso schon katastrophale Wirtschaftslage bessert sich so nicht. Dona Violeta hatte gehofft, mit saftigen Finanzspritzen aus West­europa und den USA wenigstens die Wirtschaft aus dem Tief holen zu können, aber diesbezügliche Versprechen werden nicht einge­halten!

Obendrein will Präsident Bush den Vorgang nur dann beschleuni­gen, wenn Dona Violeta für Nika­ragua offiziell auf jene (wenigen) Millionen Dollar verzichtet, zu deren Zahlung der Internationale Ge­richtshof in Den Haag die USA nach einer Klage der Sandinisten verur­teilt hat. Womit Nikaraguas Präsi­dentin von den USA genötigt wird, nachträglich die Klage, wiewohl mit Erfolg betrieben, als unrecht zu erklären.

Gleichzeitig mit dem Sozialpakt, zu dem Dona Violeta von ihrem wichtigsten Regierungsmitglied (und Schwiegersohn) Lacayo ge­drängt worden ist, schickte sie Fran­cisco Mayorga, ihren Nationalbankpräsidenten und Chefplaner, aus dem Amt. Mayorga ist der Vater des neuen „Cordoba Oro", der Wäh­rung, die, mit dem Dollar gleichge­stellt, endlich die Hyperinflation brechen sollte. Tatsächlich blieb die Währung nur theoretisch stabil, denn die skeptischen Nikaraguaner tauschen die neuen Scheine umge­hend in Dollars um. Auf der Straße kursiert weiterhin der alte Cordoba und verliert jede Woche fünf Pro­zent seiner Kaufkraft.

Das florierendste Geschäft im heutigen Nikaragua ist der vor al­lem von Arbeitslosen betriebene Schmuggel von Nahrungs- und Kon­sumgütern aus den Nachbarländei n.

In dieser Situation beginnt jetzt die Fliehkraft zu wirken, denn in der Regierungskoalition gibt es um Vizepräsident Virgilio Godoy eine schroff antisandinistische Gruppie­rung, die den Sozialpakt desavou­ieren will.

Godoy will bis Weihnachten eine Klärung, nötigenfalls gegen die Präsidentin. Hinter ihm stehen jene Unternehmer, Kaufleute und Bür­germeister, die auf eine Liberalisie­rung, aber auch einige Contra-Kommandeure, die auf Machtposi­tionen warten.

Das Contra-Fußvolk hingegen, entwaffnet, aber noch immer ohne jene finanzielle Unterstützung, die ihm längst versprochen worden ist, paktiert neuerdings an einigen Orten mit der sandinistischen Landarbei­terorganisation, deren Mitglieder ebenfalls keine Hilfe bekommen. Neuerdings aufflackernde Bürger­streiks (diesmal nicht von den San­dinisten, sondern von vergrämten Chamorro-Wählern angezettelt) sind Farbtupfer in einer tristen Landschaft, in der Dona Violeta de Chamorro vor einer Zerreißprobe steht, deren Ausgang ungewiß bleibt.

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