Ostern. Fasten. Körper

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Über Körper, Tod und Erlösung in der Fastenzeit.

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Über Körper, Tod und Erlösung in der Fastenzeit.

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Frühlingsgefühle. Fastenzeit. Für manche ein kleiner Fitness- und Wellness-Anstoß: weniger Fleisch und Alkohol. Wohlstandsstrapazierte Luxuskörper kompensieren. Ein paar Wochen, besser als nichts. Hilft vielleicht ein bisschen gegen Körperentfremdung: gegen Fettleibigkeitsepidemie, Hyperkosmetik, Schönheitschirurgie.

Körperaufmerksamkeit führt auch zu esoterischen Varianten. Wenn man mit den Göttern nicht zu Rande kommt, beginnt man in sich hineinzuhorchen, zu den Energien und Strömen. Neuerdings ist uns aber die Sterblichkeit dieser Körper aufgedrängt worden, zunächst durch die Epidemie: Seuche, Krankheit, Beatmung. Plötzlich kommen die Todeszahlen in die Abendnachrichten. Dann durch den Kriegsausbruch: Dort geht es um Menschenkörper, die kämpfen, frieren, sich in Kellern verkriechen, leiden und sterben. Wieder die alltäglichen Todeszahlen in den News.

Westliche Kollateralphänomene des Krieges sind jene Knappheiten, die infrage stellen, ob die Optimierung des näheren Habitats, nämlich die Stabilisierung der Raumtemperatur, wirklich zu den zwingenden Bequemlichkeiten gehört, unabhängig von der Saison. Ist 22 Grad Celsius ein Menschenrecht? Stabile Körperlauschigkeit, sodass man quer durch das Jahr nichts mehr spürt: nicht Regen und Trockenheit, nicht Winter und Sommer. Jede Natürlichkeitserfahrung eliminieren, kein Frösteln oder Schwitzen. (Oder ist das bloß die alte Zivilisationskritik über Verwöhnung und Abhärtung?)

Haben entnatürlichte Körpergefühle mit mangelnden Naturgefühlen und reduziertem Klimabewusstsein zu tun? Die Spekulation bringt uns zur Osterzeit und zum Frühling zurück: Schließlich geht es dabei nicht nur um Eier und Schinken, sondern auch um Körper, Tod und Erlösung.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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