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Proteste zugunsten der Steuerschwindler?

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Gegen die für den 1. Jänner 1993 geplante Erhöhung der Kapitalertragsteuer (KESt) von derzeit zehn auf 22 Prozent wurde unter anderem auch von katholischen Organisationen vehement protestiert. Der Protest richtete sich vor allem gegen den Umstand, daß von der KESt künftig auch die sogenannten Eckzinssparbücher nicht verschont bleiben sollen.

Der Protest wurde griffig formuliert („Hände weg vom Notgroschen!"), und die Motive sind gewiß ehrenwert. Der Eckzinssatz (derzeit 3,5 Prozent) reicht im Durchschnitt der Jahre ohnehin gerade aus, um die Geldentwertung wettzumachen. Knabbert künftig auch noch die Kapitalertragssteuer gut ein Fünftel davon weg, wird ein zum Eckzinssatz angelegter Notgroschen tatsächlich immer weniger.

Es ist zu befürchten, daß die Kollegen im heiligen Zorn die Sache nicht zu Ende gedacht

haben. Die Zinserträge von Eckzinssparbüchern sind derzeit zwar KESt-frei, unterliegen aber selbstverständlich der Einkommensteuer.

Künftig soll mit 22 Prozent KESt die gesamte Steuerpflicht erledigt sein. Nachteile hätte also nur jemand, der sich bisher um seine Einkommensteuerpflicht gedrückt hat. Und daß katholische Organisationen für Steuerschwindler in den „Krieg" gehen wollen, will ich nicht glauben. Wer auf Grund seines geringen Einkommens aus der Einkommensteuerpflicht herausfällt, wird sich ohnehin die automatisch von der Bank abgezogene KESt vom Finanzamt rückerstatten lassen können. Alle Ausnahmen hätten zudem den Pferdefuß, daß sie zwangsläufig mit der Aufgabe der hierzulande so geschätzten Anonymität verbunden wären.

Stutzig hätte die wackren Notgroschenschützer übrigens der Umstand machen müssen, daß auch prominente Banker für die Steuerfreiheit von Eckzinseinlagen

eintreten. Weniger aus Sorge um den Notgroschen, wohl mehr aus Sorge um die von allen Banken so geschätzten billigen Einlagen: Die Erhöhung und generelle Anwendung der KESt wird die Sparer zinsenbewußter machen und damit für die Banken die Einstandskosten für Geld erhöhen.

Daß immer noch viele Sparer ihr Geld zum Eckzinssatz anlegen, obwohl der Gesamtertrag trotz KESt-Pflicht bei anderen Anlageformen höher ist, hat psychologische Gründe, die ihrerseits wieder auf einem gewaltigen Informationsdefizit beruhen: Man vermeint, nur beim Eckzinssparbuch jederzeit Zugriff auf sein Geld zu haben.

Nachdem man historisch gewachsene Einstellungen nicht von heute auf morgen ändern kann, würde es zielführender sein, dagegen zu protestieren, daß für den Notgroschen nur 3,5 Prozent gezahlt werden.

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