Die befreiende Magie

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Brigitte Quint über Zimtzahnpasta, Teenie-Mode und das Oktoberfest als Wohlfühlort.

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Brigitte Quint über Zimtzahnpasta, Teenie-Mode und das Oktoberfest als Wohlfühlort.

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"Nehmen Sie den Sommer mit in den Herbst“ – diese Zeile las ich letztens auf irgendeinem Zeitschriftencover. Beim Vorbeigehen. Daher weiß ich bis heute nicht, wie das gelingen soll. Leider.

Ich mag es, wenn ich nur in meine Sandalen schlüpfen muss; ohne Jacke das Haus verlassen kann. Ich fühle mich dann so frei, regelrecht befreit. Wenn sich das Leben draußen abspielt, der Alltagsstress runtergefahren wird, weil es allen für alles zu heiß ist – herrlich ist das. So viele Sommer hat der Mensch schließlich nicht. Also ist jeder einzelne Sommer magisch.

Ist diese Magie in einer kälteren, graueren Version ebenso bezaubernd? Das erinnert mich an das Ginger beer-, Zimtzahnpasta- bzw. Räucherstäbchendilemma. In einem Südengland-Urlaub habe ich im Pub ständig ginger beer getrunken und bei der Abreise zig Flaschen nach Wien geschleppt. Hier fand ich es widerlich. Ähnlich erging es mir mit der Zimtzahnpasta aus den USA. Und den Räucherstäbchen aus Sri Lanka.

Wer sich kleidet wie ein Jugendlicher, kann deshalb auch nicht seine Jugend bewahren. Es ist dann eben jugendliche Kleidung an einer in die Jahre gekommenen Person. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich kaufe meine Hosen oder Röcke bis heute gerne in Teenie-Shops. Würde ich die aktuelle Teenie-Mode durchziehen, müsste ich dazu ein bauchfreies Oberteil tragen. Weil das ganz offensichtlich unangebracht ist, muss ich mir eine andere Kombi einfallen lassen. D

Der Sommer lässt sich also bestenfalls nur halb in den Herbst hinüberretten – und verwandelt sich dann sowieso. Es wäre also besser gewesen, ich hätte mein letztes ginger beer getrunken, gezahlt und einen Schlussstrich gezogen. Schließlich bin ich von Südengland nicht direkt in ein Arbeitslager nach Nordkorea geflogen. Ich kehrte in ein Leben zurück, in dem die Rolle des ginger beer samt Konsorten längst besetzt ist.

Apropos Bier. Eine Maß Oktoberfestbier ist gesetzt. Eine Freundin von mir hat zum Anstich einen Tisch im Armbrustschützenzelt ergattert. Und ich werde sowas von dabei sein. Die Münchner Wiesn ist nämlich magisch. Zumindest für eine waschechte Bayerin. Wurscht, wie sehr es hineinherbstelt ins Zelt. Ein sehr befreiender Gedanke.

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