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Schalkhaft und traurig

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Dieser Roman eines Tschechen ist ein Stück Zeitgeschichte, aufgehängt am Leben des Icherzählers Jan Chrysostomos Kepka. Der heute vierzigjährige Autor Jiri Grusa gehörte zu jener jungen literarischen Generation, die ihr Sprachrohr in der Zeitschrift „Tvar“ besaß und mutig die offizielle Literaturlinie angriff, mit allen Folgen, die sich nach dem Prager Frühling daraus ergaben. Er lebt in Prag und erwartet einen Prozeß wegen des „16. Fragebogens“, dessen Manuskript in neunzehn Abschriften zirkulierte.

Das Gesehen des Romans trägt sich in dem alten böhmischen Städtchen Chlumec zu. Die Handlung beginnt am 20. Oktober 1938, als unweit von Chlumec auf einer Wiese der tschechische Edvin und ein junges Mädchen namens Alice der Liebe pflegten. Aus solcher Freude ging als Kind der Liebe Jan Chrysostomos hervor, der am 20. Juli 1939 geboren wurde und schon vor seiner Geburt allerlei Unangenehmes erleben mußte, zum Beispiel die Vertreibung durch die Gestapo aus dem Haus, in dem der Ungeborene mit Mutter und Vater lebte. Bis zum Schluß bleibt der Roman eine Chlumecer Familien- und Lokalgeschichte im Erleben, Erleiden und Durchstehen der Zeit. Der Verstrickungen gibt es viele. Auch die Kollaboration einiger Familienmitglieder vor 1945 und Deportation und Tod nach 1945 gehören dazu - ebenso wie Karrieren in der Zeit nach 1945.

Wie aber kommt der Roman zu seinem Titel? Die ganze Erzählung des Jan Kepka gibt sich als die übergenaue Beantwortung des 16. Fragebogens, der ihm im Jahre 1975 auf der Stellensuche vorgelegt wird, diesmal vom Genossen Pavlenda. An Stelle einer bürokratischen Ausfüllung beginnt er von Mensch zu Mensch eine stumme Zwiesprache mit diesem Genossen, in der aus Realität und Traum die absurde'Welt des Gestern, Heute und Morgen Gestalt gewinnt. Dies alles ergibt ein Werk, wie es nur geschrieben werden konnte aus der Aneignung moderner literarischer Strömungen und aus der Tradition schalkhaften Erzählens, wie es in der tschechischen Literatur ungebrochen lebendig ist.

DER 16. FRAGEBOGEN. .Von Jiri Grusa. Hoffmann und Campe, Hamburg 1979. 315 S., Ln., öS 231,20.

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