7212040-1992_34_14.jpg
Digital In Arbeit

Spitzentanz der Wörter

Werbung
Werbung
Werbung

Auch zu den Dichtem wurde gesprochen: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Aber welches Salz, bitte? Der Ex-Chemiker und Würdigungspreisträger für Literatur Andreas Okopenko nimmt Bittersalz. Also ein Abführmittel, das ganz „locker“ macht, so daß in seinen „Lockergedichten“ alle Gedankenschlacken, seien sie nun nur unverdaut oder unverdaulich, sehr flott und lakonisch zumeist in Zweizeilern abgehen: „Konsens ist Nonsense“, sagt der Pessimist. Und auch der Kunstgeschichtler kapituliert im Streitgespräch: „Alles, was du sagst, das stimmt. Nicht umsonst heißt Schiele Klimt.“

Wenn Reim und Sprache autonom geworden sind, schweifen sie spontan wie der delphische Umebel dahin und dorthin, hart reiben sich dann die Reime im Unsinn und stellen die perfekteste Analogie zu den Dingen im Raum und den Gedanken in unserem Gehirn dar. „Wenn ich in der Wurst stecke, wird das eine Durststrecke“, sagt das arme Schwein, das wir nun einmal sind.

Auf einer zweiten Route erschließt uns Okopenko die Möglichkeiten seines unglaublich reichhaltigen

Weltkaleidoskops. Selbst bei kleinstem Drehungs winkel wird der ganze Dreh der Weltgeschichte von der Apokalypse bis zum New Age offenkundig. Zwei Bravourstücke dieser Art: „Marx: Am deutschen Wesen wird die Welt Chinesen“. Oder: „Gi-raudoux: Laßt mich doch raus aus der Voliere, Corneille, Racine, Moliere, Voltaire! “ Vom Spaß zum Tragischen und schließlich in das humanistisch ironische Lob der Torheit, auch der eigenen, führt uns Okopenko auf die unterhaltsamste Weise.

IMMER WENN ICH HEFTIG REGNE. Lok-kergedichte. Von Andreas Okopenko. Edition Falter, Wien 1992.116 Seiten, öS 248,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung