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Spracheinwärts

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Wenn der Verlag Guntram Vesper eingangs „einen der bedeutendsten Dichter Deutschlands" nennt, dann ist das einmal nicht übertrieben. Der aus Frohburg in Sachsen gebürtige Vesper (geboren 1941) hat als Prosaist und Lyriker schon zahlreiche Preise erhalten und kann auf eine lange Reihe von Veröffentlichungen zurückblicken, die Aufsehen erregt haben.

Wenn sich Imaginationskraft und formales Können sozusagen bruchlos miteinander verbinden (was vielen Lyrikern niemals gelingt), dann kann die Reise „spracheinwärts" glücken. Vesper spricht in seinem wundervoll persönlichen Nachwort einen der wesentlichsten Anstöße für das Schreiben an, nämlich die Kindheit. Von der Erinnerung an sie geht vieles aus, wächst gleichermaßen zur Gedankenlyrik wie zur kunstvoll skizzierten Darstellung einer irritierten Natur heran. Und es ist die Menschennatur, die der Autor stets überzeugend zur Sprache bringt. Guntram Vesper hat in diesem Buch seine Jugendjahre bilanziert: die letzten Kriegsjahre, die Zeit der Okkupation „auf dem Dorf" und das ehemalige DDR-

Regime. Im prägnanten Gedicht „Das Geheimnis" beispielsweise ist vieles drfvon gesagt: „Um vier war ich wach / und schlich aus der Wohnung / die Sonne ging auf. / Die Rufe der Bauern / beim Mähen der Wiesen. / Mein Kopfsprung ins Wasser. / Halb im Schlamm schon versunken / halb mit Algen bewachsen / schlief dunkel der Panzer." Hier sind ihm vielleicht Georg Trakl oder Peter Hüchel zur Seite gestanden, aber so, daß daraus originäre Dichtung entstehen konnte. Der Gedichtband ist endlich wieder ein literarisches Ereignis.

ICH HÖRTE DEN NAMEN JESSENIN. Von Guntram Vesper. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1990.95 Seiten, öS 218,40.

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