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Die Partie blieb unentschieden

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Spätestens an der Schwelle zum zweiten Streikmonat wurde es allen Beteiligten klar, daß die Bedingungen zur Beilegung des quälenden Sozialkonflikts erfüllt waren: Beide Partner

erkannten nämlich, daß sie in diesem zermürbenden Pokerspiel mit schlechten Karten für geringe Gewinnaussichten einen viel zu hohen Einsatz riskierten. Die Angebote der Regierung und die

Forderungen auf Lohnerhöhungen hatten sich seit einigen Tagen bis auf die geringfügige Nuance von 1/4 Prozent angenähert — was zwei Tagesverdiensten entspricht. Für diesen Betrag setzten die Gewerkschaften ihre bisher auch in der Fünften Republik unbestrittene Stellung aufs Spiel, weil ihnen eine von der Basis ausgehende machtvolle Entschlossenheit Auftrieb verlieh; doch als sich der Streikkalender bis in den April auszudehnen begann, konnte ihnen nicht verborgen bleiben, wie der empfindliche Verdienstausfall den Elan zu lähmen drohte.

Der Regierung schien das Risiko eines beträchtlichen Prestigeverlustes anfänglich tragbar, weil die bestehenden Reserven, die Einfuhrmöglichkeiten und die Heranziehung anderer Energiequellen den Ausfall der heimischen Kohleproduktion für die französische Wirtschaft zu überbrücken vermochten; doch die Popularität des Streiks und die ersten Anzeichen einer bösartigen Politisierung ließen auch ihr eine gütliche Lösung des Konflikts ratsam erscheinen.

Für die Fünfte Republik wirft dieser Sozialkonflikt eine Reihe von Lehren ab. Es hat sich gezeigt, daß weder der Charme noch der harte Kommandoton des Staatspräsidenten zum Ziel gelangen, wenn es um die Lohntüte des fran-

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