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Strom aus der Strömung

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Ein Fünftel des gesamten elektrischen Energiebedarfs wird heute durch Wasserkraft, vor allem aus Flußkraftwerken, gedeckt. Daß für uns aber die Verwendung von Elektrizität eine Selbstverständlichkeit darstellt, verdanken wir der bahnbrechenden Erfindung des Österreichers Viktor Kaplan, der Kaplanturbine.

Sie machte die wirtschaftliche Nutzung der Wasserkraft in größerem Umfang erst möglich. Vom ersten Entwurf 1913 bis zum Siegeszug um die Welt war es aber ein langer, schwieriger Weg, wenn auch Viktor Kaplan ein typisch österreichisches Erfinderschicksal erspart blieb.

Nach Jahren harter, konsequenter Arbeit gelang dem Techniker schließlich die Konstruktion einer völlig neuartigen Turbine, die einer Schiffsschraube ähnelte: Ein achsial durchströmtes Flügelrad mit verdrehbaren Schaufeln — die Kaplanturbine, die besonders in Flußkraftwerken mit großer, stark wechselnder Wassermenge und niederem Gefälle eingesetzt wird. Durch die verdrehbaren Schaufeln ist es möglich, die Laufradform der jeweiligen Wassermenge so anzupassen, daß die Turbine immer mit optimalem Wirkungsgrad arbeitet.

Denn die herkömmlichen Turbinen (Francis-Turbine und Pel-ton-Turbine) waren den Anforderungen nicht mehr gewachsen gewesen. Durch die Einführung des Mehrphasenstroms konnte man gegen Ende des 19. Jahrhunderts elektrischen Strom über größere Entfernungen transportieren. Turbinen mußten in großem Umfang für die Stromerzeugung eingesetzt und große Flüsse für die Energiegewinnung ausgenützt werden. Ein Problem, das erst mit der Kaplanturbine gelöst werden konnte.

Am 27. November 1876 in Mürz-zuschlag in der Steiermark geboren, studierte Viktor Kaplan 1895 bis 1900 an der Technischen Hochschule in Wien Maschinenbau. Nach zweijähriger Tätigkeit als Turbinenkonstrukteur in einer Leobersdorfer (Nö) Maschinenfabrik, kam er 1903 an die Deutsche Technische Hochschule in Brünn, wo er neben seiner Lehrtätigkeit mit Arbeiten auf dem Gebiet des Turbinenbaues hervortrat. 1909 promovierte er zum Doktor der technischen Wissenschaften an der Technischen Hochschule in Wien.

In Brünn richtete er 1910 ein Turbinenlaboratorium ein, in dem er nun seine Konstruktionen baute, testete und verbesserte.

Erreichen die heute an allen großen Flüssen der Welt rotierenden Kaplanturbinen mit Durchmessern von mehr als zehn Metern Leistungen von über 100.000 Kilowatt, so war der Beginn sehr bescheiden.

Es begann mit den ersten Versuchslaufrädern mit 183 Millimeter Durchmesser und führte über die erste praktisch eingesetzte Kaplanturbine mit 600 Millimeter Durchmesser in Velm in Niederösterreich (1919) bis zum Einsatz der ersten Großturbine. Sie hatte einen Durchmesser von 5800 Millimeter und eine Leistung von 11.200 PS und ging 1925 im schwedischen Kraftwerk Lilla Edet in Betrieb. Der Beweis der Verwertbarkeit der Kaplanturbine als Großkraftmaschine war erbracht.

Nach vielen Jahren, gekennzeichnet durch Schwierigkeiten und Rückschläge, war der große Durchbruch gekommen. Kaplan-Kraftwerke entstanden in der ganzen Welt, und seine Turbine wurde durch insgesamt 273 Patente in allen Kulturstaaten geschützt.

Für den Erfinder gab es in den letzten Lebensjahren noch einige persönliche Erfolge. Kaplan wurde Ehrendoktor der Technischen Universität Prag und mit der goldenen Medaille des österreichischen Ingenieur- und Architektenverbandes in Wien ausgezeichnet. Eine Berufung an die Technische Hochschule in Wien mußte er aber aus gesundheitlichen Gründen ablehnen, und bereits 1931 suchte er um seine Pensionierung an. Am 23. August 1934 erlag Viktor Kaplan, erst 58 Jahre alt, auf seinem Landgut am Attersee einem Schlaganfall.

(Viktor Kaplan ist ab 26. Oktober eine Ausstellung im Technischen Museum in Wien gewidmet.)

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