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Sündenbock auf Abruf

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Ryschkow soll gehen, forder- ten kürzlich Zehntausende Mos- kauer bei strömendem Regen vor dem Kreml.

Durch seine steten Warnungen vor allzuschnellen Reformen wurde der sowjetische Premier- minister zum Sündenbock der breiten Masse der Bevölkerung. Denn der durch Jahrzehnte hin- durch an Kommandowirtschaft gewöhnte Sowjetbürger könnte nicht auf Kommando marktwirt- schaftlich denken, argumentiert er immer wieder. Daher soll der Traum von der Marktwirtschaft nur langsam Wirklichkeit wer- den.

Je schlechter die Lage, desto größer werden die Hoffnungen an die Losung „Marktwirt- schaft", die Gorbatschow schon seit Jahren ausgegeben hat. Da- ran klammern sich alle Erwar- tungen. „Wir sind krank und müde von den leeren Regalen und dem wertlosen Geld ", klagt selbst

Moskaus Bürgermeister Gawriil Popow. Noch immer macht Marktwirtschaft ihnen den Mund wäßrig, verheißt sie doch überquellende Regale und ein wenig Wohlstand. Und jetzt soll wieder nichts damit werden, weil einer stets auf die Bremse steigt?

Also weg mit Ryschkow!

Ryschkow soll bleiben, ent- schied letztlich Kremlchef Gor- batschow. Der Sündenbock darf noch am (politischen) Leben bleiben.

Alle bisherigen sowjetischen Wirtschaftsreformen scheiterten letztlich an der Starrheit des politischen Systems. Und das verstellt auch weiter den Weg. Auch wenn das wiedervereinig- te Deutschland mit milliarden- schwerer Hilfe einspringen wird.

Noch ist das politische Köpfe- rollen wegen der leeren Regale ausgeblieben. Aber wie lange noch?

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