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Unverschämt und unsozial

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Als VÖEST-Generaldirektor Apfalter letzte Woche in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Edelstahlwerke ankündigte, daß die Sanierung des seit Jahren schwer defizitären Stahl- und Walzwerkes in Judenburg nicht mehr länger aufgeschoben werden könne, reagierte die Belegschaft spontan mit einem Warnstreik.

Ich empfinde das als unverschämt, wenngleich es für mich nicht unerwartet kam. Unverschämt, weil bei allen seit Jahren geäußerten Sanierungsüberlegungen, so auch jetzt bei Apfalter, stets ausdrücklich betont wurde, daß eine Umstrukturierung, wenn sie mit dem Verlust von Arbeitsplätzen im Werk Judenburg verbunden sein sollte, nur Hand in Hand mit der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen vorgenommen werden würde.

Angesichts derartiger Zusicherungen auf eine laufende Subventionierung bestimmter Arbeitsplätze in Millionen-

höhe zu bestehen, ist nicht bloß unverschämt, sondern auch im höchsten Maße unsozial. Weil die für Judenburg sinnlos hinausgepulverten Hunderte Millionen-um diese Größenordnung geht es nämlich! - zwangsläufig an anderer Stelle fehlen müssen: Möglicherweise bei der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen im Waldviertel, möglicherweise beim Bau von Altersheimen oder Krankenhäusern. Es ist ? nicht einzusehen, daß die Gemeinschaft einen unverhältnismäßig großen Teil ihrer Mittel für die Sturheit einiger Hundert ausgeben soll, wenn ihr für wichtige, vielleicht lebenswichtige Aufgaben, diese Mittel fehlen. Solange es Kranken zugemutet werden muß, auf dem Gang eines Spi- tales behandelt zu werden, solange alten Menschen Heime von der Beschaffenheit des Altersheimes Lainz zugemutet werden, wird es den Beschäftigten des Stahlwerkes Ju- denburgs wohl auch zugemutet werden können, ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

Unerwartet war die Reaktion der Belegschaft freilich nicht. Wer. auch nur einen kleinen Einblick in das Geschehen bei VEW seit der Fusion hat, weiß, daß einem Teil der Belegschaft, gedeckt oder vielleicht sogar unterstützt vom Betriebsrat, jeglicher Leistungswille fehlt. Aus falsch verstandener Solidarität legt sich der Betriebsrat beispielsweise laufend gegen individuelle leistungsbezogene Gehaltserhöhungen quer und fördert ein Klima, bei dem der pünktliche Freitagfrühschluß noch allemal vor der Beantwortung einer Anfrage eines Kunden über einen Millionenauftrag kommt. In dieses Bild fügt sich harmonisch, daß Belegschaftsmitglieder, die mangels Aufträgen in ihrer Sparte umgeschult werden, sich weigern, in anderen Sparten einzuspringen, wenn dort Not am Mann ist.

Das Desaster bei VEW ist nicht allein die Folge der schlechten Stahlkonjunktur und der Sünden der Vergangenheit, sondern auch die Folge der aufreizenden Desinteressiertheit eines - leider großen - Teiles ihrer Belegschaft.

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