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Vatikan kontra Theologie der Befreiung

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Nach der Wahl die Qual: CLAR, der Ordensleute-Dachverband Lateinamerikas, wählte eine neue Leitung, bekam aber von Rom ganz andere Leute vorgesetzt.

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Nach der Wahl die Qual: CLAR, der Ordensleute-Dachverband Lateinamerikas, wählte eine neue Leitung, bekam aber von Rom ganz andere Leute vorgesetzt.

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„Wenn offizielle vatikanische Dokumente undifferenziert Marxismus-Vorwürfe erheben, gefährden sie damit die Leute an der Basis.” Dies sagte diese Woche in Wien zur FURCHE „mit allem gebotenen Respekt” der argentinische Kapuziner Luis Coscia, bis vor kurzem Präsident der CLAR, die 160.000 Ordensleute in ganz Lateinamerika umfaßt. Sie tragen - so Coscia - zu 80 Prozent die pastorale Arbeit, nur etwa 20 Prozent entfallen auf Weltpriester und Laien. Die CLAR habe sich als Echo auf die Anliegen der Basis verstanden und der Option für die Armen und dem Mitleben mit dem Volk Vorrang gegeben.

Ein Vorbereitungspapier für die jüngste CLAR-Generalversammlung (19. bis 28. Februar in Mexiko), löste offenbar im Vatikan Alarm aus. Rom befand, der Text enthalte zahlreiche Irrtümer, die CLAR-Statuten wurden aufgehoben, ein päpstlicher Delegat mit Sondervollmachten und der neue Sekretär der Kongregation für die Ordensleute zur Versammlung entsandt.

Der Papst behielt sich das Recht vor, statt der fünf auf der Versammlung Gewählten (Präsident, drei Vizepräsidenten, Sekretär) andere Personen für das CLAR-Präsidium zu ernennen und machte nun, am 5. Juni, davon auch Gebrauch. Er ernannte fünf völlig neue Leute, von denen zwei bei der Wahl in Mexiko klar unterlegen, die anderen gar nicht zur Debatte gestanden waren.

Für Luis Coscia war die Versammlung trotz des tiefen Leides über die als überspannt empfundenen römischen Maßnahmen ein „österliches Ereignis”, das auch die beiden „Aufpasserbischöfe” ergriffen hätte. Nach der jüngsten Personalentscheidung, die eindeutig als Maßnahme gegen die Theologie der Befreiung zu sehen sei, habe die CLAR ihre Bedeutung als Dachverband verloren, die Zukunft hänge jetzt von der - bisher guten - Arbeit der Ordenskonferenzen in den einzelnen Ländern ab. Eine Spaltung sei aber nicht in Sicht: „In der christlichen Kultur Lateinamerikas denkt man nicht daran, außerhalb der Kirche zu stehen, man glaubt an die Vielfalt der Kirche.”

In USA-Heerespapieren gelte die katholische Kirche in Lateinamerika als größter Gegner, man fördere systematisch das Vordringen der Sekten, weiß Coscia zu berichten und beklagt, daß Roms Marxismus-Vorwürfe praktisch eine Auslieferung an Militärs und Todesschwadronen bedeute, da diese nun ihr Vorgehen gegen Basischristen gerechtfertigt sehen: „Schon jetzt werden täglich in Lateinamerika Katholiken umgebracht: Campesinos, engagierte Laien, Ordensleute, Priester. Das sind oft gar keine besonders progressiven Leute, sie fallen nur dadurch auf, daß sie unter und mit den Armen leben.”

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