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Vom Judenknäblein Jesus

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Wer in den Feiern zum Gedenken an die Ereignisse von 1938 öffentlich das Wort ergreifen mußte, “ hat sich in der Regel um eine besonders behutsame Sprache und um redliche und taktvolle Formulierungen bemüht. Nicht so Kurt Diemann in einer sowohl vom Schweizer Fernsehen als auch vom „profil“ zitierten Rede.

Sozialisten, Freimaurer und Juden werden „zur aller unheiligsten Dreifaltigkeit der Österreich-Feinde“ (wörtlich!) ernannt. Linkskatholiken werden „Tabernakelbolschewiken“ genannt — wie überhaupt ein rauhbeiniger Verbalradikalismus an die Stelle von Argumenten zu treten scheint.

Man fragt sich unwillkürlich, was denn alle Ermahnungen zur Besinnung und Besonnenheit wert sind, wie denn Versöhnung und Verständigung möglich sein sollen, wenn gerade zu den Gedenktagen Emotionen geschürt und Polarisierungen zugespitzt werden.

In eigenartigem Kontrast zur derben Wort- und Begriffswahl, wenn es um Angriffe auf Gegner geht, steht die Uberempfindlichkeit bei der Wortwahl jüdischer Persönlichkeiten. (Das Wort legner“ drängt sich hier beinahe auf.)

Weil Simon Wiesenthal die Berliner Reichskristallnacht im Vergleich zur Wiener ein „Weihnachtsfest“ nennt, heißt es:

„Das ist geschmacklos, das kränkt, das beleidigt die christlichen Menschen dieäes Landes.“ Bisher dachte ich, die Reichskristallnacht hätte die Juden beleidigt.

Und weil der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg in einem Weihnachtsartikel vom „udenknäblein Jesus“ spricht, sollen schon wieder die Christen gekränkt sein.

Ich bin Christ und Seelsorger — und überhaupt nicht beleidigt.

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