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… wäscht noch weißer

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David Irving, der teils renommierte, teils umstrittene britische Historiker, will mit seinem neuesten Buch beweisen, Hitler habe von der Ausrottung der Juden nichts gewußt und sie auch gar nicht gewollt. Die Empörung in der britischen Öffentlichkeit ist gewaltig, aber sie ist rein gar nichts im Vergleich mit der begeisterten Zustimmung, die Irving von anderer Seite entgegenschlug.

Wie wir aus absolut sicherer Quelle erfahren, meldete sich bereits wenige Stunden nach dem Erscheinen der ersten Pressekritiken bei Irving eine tiefe Stimme mit starkem russischen Akzent am Telephon.

„Sie sind ein großartiger Historiker, Gospodin Irving”, sagte der Mann,1 „könnten Sie nicht auch über mich ein Buch schreiben?”

„Gerne”, sagte Irving, „aber wer sind Sie überhaupt?”

„Mein Name ist Josef Wissariono- witsch Dschugaschwili”, sagte die Stimme, „auf der Erde kannte man mich als Stalin. Hier in der Hölle bin ich leider nur die Nummer 6,879.002. Einmal im Jahr läßt mich der Teufel telephonieren. Ich beschwöre Sie, Sie können sich unschätzbare Verdienste erwerben, wenn Sie beweisen, daß ich von den Schweigelagern und von der Ausrottung der Kulaken, von Massenmorden an Trotzkisten und Bucharini- sten, von Katyn, vom bedauerlichen Verschwinden aus Spanien heimgekehrter Rotarmisten, na, und was halt sonst noch notwendig war, pardon, was es sonst noch gegeben haben soll, keine Ahnung hatte, und daß nur Jagoda und Berija schuld waren.”

„Das müßten Sie mir erst beweisen”, sagte Irving.

,$Iein Wort muß Ihnen genügen”, sagte Stalin, „zum Beweisen sind Sie da! Aber als seriöser Historiker müssen Sie dazu doch mit Leichtigkeit in der Lage sein. Wenn Hitler nichts von den Massenmorden an den Juden gewußt hat, warum muß ich etwas davon gewußt haben, als unsere Gegner um die Ecke gebracht wurden? Also, wollen Sie mich reinwaschen oder nicht?”

„Sie hätten früher kommen müssen”, sagte Irving, „eine solche These kann man nur einmal aufstellen. Die Rehabilitierung zweier Diktatoren durch einen einzigen Historiker würde dessen Ruf über strapazieren”.

„Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit”, brüllte Stalin, „Ihr Verhalten widerspricht der britischen Fairneß, Sie sind ein Faschist, ein Imperialist, ich lasse Sie erschießen!”

Irving warf den Hörer auf den Apparat, der sofort wieder klingelte.

„Schon wieder Sie, Herr Stalin?” kreischte Irving, worauf eine vor Empörung zitternde Stimme sagte: „Soll ich Sie für diese Beleidigung erschießen lassen? Man kannte mich als Generalissimus Franco! Aber ich sehe, Sie haben schon anderweitig abgeschlossen. Sie sind glänzend im Geschäft! Pfui! Hitler und Stalin!”

„Ein Irrtum, ein Irrtum”, rief Irving, aber Franco hatte schon aufgehängt, und schon wieder schrillte das Telephon.

„Welche hochdekorierte Leiche will mich denn jetzt schon wieder • sprechen”, sagte Irving, worauf eine Stimme antwortete: „Wenn Sie meinen Fall s o schwarz sehen, gebe ich Ihnen statt der fünf Millionen Dollar, die ich Ihnen anbieten wollte, zehn, aber Sie müssen glänzend arbeiten, engagiert, mit Überzeugungskraft, und selbstverständlich mit einer ungeheuren historischen Genauigkeit. Also hören Sie zu: Ich hatte und habe keine Ahnung, daß je eines meiner Landeskinder, die ich so innig liebe, erschossen oder zerstückelt oder gar den Krokodilen vorgeworfen wurde, und auch eine gewisse Frau Dora Bloch ist nur auf dem Weg in das Spital unglücklich gefallen. Also, zehn Millionen Dollar, ich lasse Sie mit einem Sonderflugzeug nach Entebbe holen, einverstanden?”

„Das tue ich nicht, ich bin ein seriöser Historiker”, sagte Irving.

„Aber mein verehrtes Vorbild, Herrn Hitler, haben Sie doch auch rehabilitiert!” stammelte Idi Amin, „obwohl es gemein ist, daß Sie ihn für verrückt erklären!”

„Bitte beeilen Sie sich, Mister Irving”, sagte eine Telephonistin, „ich habe auch noch Herrn Pinochet und Herrn Suharto am Apparat! Mit wem soll ich zuerst verbinden?”

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