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Das Verbotsgesetz stellt eine Zumutung dar - an der wir dennoch bis auf Weiteres festhalten sollten.

Bleib stark, David", rief ihm ein britischer Sympathisant nach der Verkündung des (noch nicht rechtskräftigen) Urteils zu: Drei Jahre Haft wurden dem britischen Historiker David Irving wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zugemessen. Bis zu zehn Jahren wären möglich gewesen, Irving zeigte sich dennoch "geschockt". Denn auf Anraten seines Anwalts hatte er es auf die "weiche Tour" probiert: Wohl zur Enttäuschung des Zwischenrufers und anderer Gesinnungsgenossen war er vor Gericht gerade nicht "stark" geblieben, relativierte etliche seiner früheren Aussagen, rang sich sogar das Bekenntnis ab, ihm täten "all die unschuldigen Opfer Leid, die im Holocaust gestorben sind".

Das Geschworenengericht nahm Irving den - partiellen - Gesinnungswandel nicht ab. Verständlicherweise: Positionen, wie sie Irving über Jahre vertreten hat, ändert man nicht einfach wie etwa die Meinung zur Frage einer kilometerabhängigen Maut. Auch ist nicht bekannt, dass sich Irving je in seiner Rolle als Ikone der rechtsextremen Szene sonderlich unwohl gefühlt, sich gegen Vereinnahmung zur Wehr gesetzt hätte. Es gibt also gute Gründe, mit dem Richter an der Reue des Angeklagten zweifeln, so schwierig das letztlich zu beurteilen ist.

Die entscheidende Frage freilich betrifft nicht das Strafausmaß und geht auch über den Anlassfall hinaus: Soll Gesinnung, Ideologie überhaupt bestraft werden - wie das in Österreich durch das Verbotsgesetz (nach dem Irving jetzt verurteilt wurde) vorgesehen ist? Tatsächlich bedeutet es ja zunächst einmal eine nicht unbeträchtliche Zumutung für liberale, rechtsstaatlich verfasste Gemeinwesen, bestimmte ideologische Positionen, seien sie auch noch so aberwitzig, zu sanktionieren. Denn zum Selbstverständnis solcher Gemeinwesen gehört es, dass sie stark genug sein müssen, solche Anschauungen auszuhalten; noch deutlicher: dass ihre Stärke auch darin besteht, "Meinung", "Weltanschauung" eben nicht vor Gericht zu verhandeln. Verbrechen ist Verbrechen und wird entsprechend bestraft, aber die Meinung über ein bestimmtes Verbrechen, auch über ein verbrecherisches Regime, bliebe demnach straffrei.

Über diese Zumutung sollte man sich nicht vorschnell argumentativ hinwegturnen. Wer das Gespür dafür hat und sie gelten lässt, kann dann umso glaubwürdiger sein "Und trotzdem" anfügen: Und trotzdem ist es sinnvoll, bis auf Weiteres am Verbotsgesetz festzuhalten - weil die sanktionierte Ideologie nicht irgendeine, sondern im historischen Maßstab singuläre darstellt; und weil sie nicht irgendwo aufgekeimt und schließlich ins Monströse gewachsen ist, sondern in diesem unserem geographischen Raum. Die Einzigartigkeit liegt in der Schoa begründet, in ihren sechs Millionen Opfern, die im Unterschied zu den übrigen Millionen Opfern des ns-Terrors nicht mit jenen anderer totalitärer Systeme "gegenverrechnet" werden können. Und das Gebiet des heutigen Österreich war ein Schauplatz des Verbrechens - etliche Österreicher waren federführend daran beteiligt, viele bereiteten den Boden dafür. Vor allem aus ersterem Grund ist der Nationalsozialismus anders zu bewerten als der Kommunismus, aus zweiterem folgt, dass wir uns mit Hitler, nicht aber im gleichen Maß mit Stalin, Pol Pot, Napoleon oder Nero beschäftigen müssen; das obliegt anderen.

Klar ist aber auch, dass das Verbotsgesetz mit zeitlichem Abstand zu den es begründenden Ereignissen an Relevanz verlieren wird. Irgendwann wird die ns-Zeit tatsächlich so sehr Geschichte sein, "wie die Punischen Kriege", um Rudolf Burger zu zitieren. Jetzt freilich ist es, anders als Burger meint, noch nicht so weit, der Zeitpunkt lässt sich auch nicht dekretieren - und ganz pragmatisch muss man hinzufügen, dass eine Abschaffung des Verbotsgesetzes ganz einfach ein verheerendes Signal wäre.

Fatal wäre es freilich ebenso, über dem sanktionenbewehrten Umgang mit der Vergangenheit den klaren Blick für die Bedrohungen der Zukunft zu verlieren. Das Böse kehrt nicht in gleichem Gewande wieder, die Gefahren von Heute und Morgen haben vermutlich mit Auschwitz wenig zu tun und sind weit schwieriger abzuschätzen und zu bewältigen als Aussagen von David Irving & Co.

rudolf.mitloehner@furche.at

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