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Warnung vor Nazi-Gefahr made in Germany

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Ted Koppel, der große - und eitle - Star unter den Fernsehjournalisten Amerikas hat vor Wochen einmal zugegeben, daß er sich in der Jugoslawienkrise nicht auskennt. Drum sei seine Berichterstattung so mühsam. Wie sollen die amerikanischen Medien, fragt man sich, jetzt die rechtsradikalen Anschläge auf Flüchtlinge im vereinten Deutschland verstehen, ohne in oberflächliche Phrasen zu verfallen?

Die Hauptfernsehnachrichten der großen Stationen kümmern sich aber ohnehin wenig um die unerfreulichen Ausschreitungen in Deutschland. Und die kleinen Meldungen, mit ein paar gespenstischen Bildern untermalt, laufen unter „ferner liefen", bemühen sich aber um einen objektiven Ton: Deutschland habe eine liberale Asylpolitik, nehme mehr Flüchtlinge auf, als der Rest Europas zusammen, und in den Aufbaugebieten des Ostens

komme es daher zu sozialen Spannungen.

Für die Auslandsberichterstattung der Zeitungen ist die New York Times maßgebend. Und dort sind die ausführlichen Berichte um größtes Verständnis und um einen freundlichen Ton bemüht: Deutschland habe die liberalste Asylpolitik der Welt, komme aber unter einen enormen Flüchtlingsdruck, gekoppelt mit den sozialen Problemen im Osten, das alles führe zu den Ausschreitungen der Unzufriedenen am rechten Rand.

Der zynische Ton findet sich dann in den Kommentarseiten der NYT, die im Syndikat in vielen anderen lokalen Zeitungen nachgedruckt werden: A. M. Rosenthal erinnert Amerika daran, daß Europa immer schon eine Oase des Rassismus und der Rechtsradikalen war und auch weiterhin bleibt. Die Intellektuellen würden das nur verdrängen wollen, und die ab und zu durchscheinende wirkliche Fratze mit klugen Worten „wegerklären". Damals seien es die Juden gewesen, heute eben die Flüchtlinge und Moslems, die zu den

Opfern der Nazis werden. Rosenthal weigert sich ausdrücklich, von Neo-Nazis zu sprechen; die gebe es nicht, denn das seien alles Nazis - wie schon einmal gehabt.

Und die faule Ausrede, die in den Medien weltweit weitergekaut werde, daß Deutschland eine so liberale Asylpolitik habe, zähle nicht: Pakistan und andere Entwicklungsländer würden ungemein viel mehr Flüchtlinge aufnehmen, ohne Unruhen und Ausschreitungen. Und dann muß Rosenthal daran erinnern, daß Nazi-Deutschland in einem Monat einstmals so viele Menschen umgebracht hatte, wie es jetzt insgesamt als Flüchtlinge in den letzten Jahren aufgenommen hat.

Mit dem moralischen O-Ton will Rosenthal die Amerikaner darauf aufmerksam machen, um wieviel besser es sie da doch haben. So, als ob es keinen schwarzen Antisemitismus, jüdische Vorurteile gegenüber Schwarzen oder Tausende brennende Geschäfte in Los Angeles geben würde: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

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