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Wie man reich wird

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Bernard Shaw zieht in seinem Drama „Frau Warrens Gewerbe“, das derzeit vom Volkstheater in den Wiener Außenbezirken aufgeführt wird, Schlußfolgerungen aus der1 Tatsache, daß zur Entstehungszeit des Stücks vor 85 Jahren Frauen in Bleiweißfabriken täglich 14 Stunden arbeiten mußten. Haben diese Szenen weiterhin Gegenwartsbezug?

Frau Warren besaß bei fehlenden besonderen Talenten den elementaren Trieb, durch „Fleiß zu vernünftigem Wohlstand“ zu gelangen und nicht durch Schinderei für Schandlöhne zu verkommen. Shaw bezeichnete Armut als größtes Übel und den Reichtum als wichtigstes Ziel. So machte es ihm ingrimmigen Spaß, zu zeigen, daß Reichtum zu erwerben Frau Warren nur durch das „älteste Gewerbe der Welt“ möglich war. Sie verdient „Häuser“ in London, Brüssel, Wien, Budapest Shaw legitimiert dies - in Äußerungen außerhalb des Stücks - gegenüber der großen Klasse von Männern, die ihre höchsten Fähigkeiten zum Schaden der Gesellschaft prostituieren. Und als Frau Warrens Tochter Vivie, in teuren Internaten erzogen, der Mutter erstmals gegenübertritt und dabei erst von dieser Vergangenheit erfährt, bezeichnet sie die Erfolgreiche als wundervolle Frau.

Rechtfertigt also Shaw das Geschäft

mit der Prostitution? Zunächst scheinbar, dann allerdings nicht, denn Vivie, ebenso triebhaft leistungsbesessen wie ihre Mutter, trennt sich von ihr, als sie erfährt, daß die nunmehr Reiche dieses Geschäft ohne materielle Notwendigkeit weiterhin betreibt. Shaw ist zweigesichtig. Und die Situation heute? Ohne besondere Befähigungen gibt es nach wie vor keinen Weg zum Reichtum aus eigenen Kräften, und die Frauen werden in vielen Berufen bei gleicher Leistung immer noch schlechter bezahlt als die Männer.

Regisseur Erich Margo bietet eine vorzüglich durchgearbeitete Aufführung. Hilde Sochor gibt der Frau Warren ebenso das Triebhafte der Emporgekommenen wie die unerwidert bleibende Mutterliebe. Heidi Picha ist ganz die junge, völlig gefühlskalte Emanzipierte. Bernhard Hall glaubt man als Sir Crofts die typisch englische Arroganz des geschäftemachenden Adeligen. Das Schwärmerische des Praed wird durch Anton Duschek spürbar, die innere Unsicherheit des Pastors durch Joseph Hendrichs. Sympathisch wirkt Karl Schmid-Werter als junger Windbeutel. Tibor Vartok kommt mit der kleinen Bühne gut zurecht, er bietet ebenso milieugerechte Bühnenbilder wie Maxi Tschunko zeitentsprechende Kostüme.

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