Nach einem Tagesausflug nach Preßburg stattete ich der tschechpslowakischen Hauptstadt Prag zusammen mit einigen Freunden einen mehrtägigen Besuch ab. Es war ein Wiedersehen mit einer der schönsten Städte Europas, in der ich das letzte Mal vor über zwanzig Jahren, vor dem Prager Frühling und dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968, geweilt hatte.
Kehrt man nach einer solchen Spanne Zeit nach Prag zurück, ist es einem, als ob alles, was dazwischen lag, nur ein böser Traum gewesen wäre. Man erlebt eine gegenüber dem Prager Vorfrühling potenzierte Aufbruchsstimmung und Hoffnung, die sich den Menschen mitteilt und die ganze goldene Stadt überstrahlt.
Und doch wird man immer wieder an all das Leid, das dieses Volk in den vergangenen zwanzig Jahren durchmachen mußte, erinnert. So ist der Wenzelsplatz, auf dem sich der Sieg der Masse über die Diktatur abspielte und der somit Zeuge einer historischen Erhebung und Befreiung wurde, bei Einbruch der Dunkelheit in ein Meer von Kerzenlichtern getaucht, die an die Opfer der Gewaltherrschaft gemahnen.
Neben den Bildern des neuen Staatspräsidenten Vaclav Havel, der, wie in einem Märchen, vom Kerker befreit in der Burg Einzug hielt, sieht man auch die von Jan Palach, der sich 1968 aus Protest gegen die Vergewaltigung seines Landes als lebende Fackel anzündete und so zu einem Fanal des Widerstandes und Protestes wurde. Palach wird von seinen Landsleuten wohl zu Recht nicht als ein irrer Selbstmörder, sondern als ein bewußt in den Tod gegangener Märtyrer betrachtet, der, von christlichen Motiven inspiriert, einen christusförmigen Tod starb.
Und der Geist, der Palach zu seiner ungewöhnlichen, ja an die Grenzen des Menschenmöglichen und Erlaubten gehenden Tat inspirierte, ist dieser Revolution treu geblieben, die sich in Ruhe vollzog und die ihren Sieg durch ein Te Deum im Veitsdom krönte. Dieser christliche Geist, der auch den Liberalen Havel und den Altkommunisten Dubcek in ihren Bann zog, ist dieser~Revolution erhalten geblieben und bestimmt ihre weitere Marschroute. So ist, im Gegensatz zu Rumänien und zur DDR, nicht daran gedacht, Husak und die anderen Exponenten des verflossenen Systems, vor Gericht zu stellen. Sie werden der verdienten Verachtung des Volkes anheimfallen und in die ihnen gebührende Bedeutungslosigkeit versinken. Das soll ihnen Strafe genug sein.
Das Volk von Prag aber erfreut sich in diesen Tagen der neu gewonnenen Freiheit und lustwandelt in den Straßen, die frei und offen geworden sind und dazu einladen, sich in Freiheit auf ihnen zu ergehen.