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Xanthippe

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Hinter jedem berühmten Mann steht eine Frau. Ohne diese Frau wäre dieser Mann nie berühmt geworden. Diese Frau ist seine Managerin und persönliche Betreuerin. Sie versorgt ihn ganz und gar, räumt ihm alles aus dem Weg, hält alles Störende von ihm fern - und das alles ohne Murren und in ständiger Fröhlichkeit. Sie ist nicht nur dankbar für diese Rolle, sie spielt sie meist unbemerkt von der Öffentlichkeit. So will es jedenfalls das Klischee. Und in den USA soll es ja diese Spezies von Wunderweib mehrfach geben.

In europäischen Gefilden scheint es eher eine recht undankbare Rolle zu sein, die Gattin eines bedeutenden Mannes zu sein. Ahnfrau aller frustrierten Prominentengattinnen ist Xanthippe, die Frau von Sokrates. Sie gilt bis heute als Erfinderin der Zanksucht, als das böse und streitsüchtige Eheweib schlechthin, als Eheteufel, derdemphilosophischen Gesponsen das Mitleid über Jahrtausende gesichert hat. Diese üble Nachrede verdankt Xanthippe übrigens dem griechischen Schriftsteller Xeno-phon, einem Schüler des Sokrates.

Wahrscheinlich ist Xanthippe nicht einmal verleumdet worden. Aber werfragt schon, wie sie zur Schutzheiligen aller Ehedrachen geworden ist? Sicher war sie zuerst eine liebenswerte Frau. Xanthippe -auf deutsch „blondes Pferdchen” - klingt ja fast wie ein Kosename. Bestimmt hat sie ihren Sokrates zärtlich geliebt. Aber er - der große Philosoph -hat sie bald zum Haustrampel gemacht. Er hat mit seinen vornehmen Zöglingen geistreich diskutiert, und sie konnte nachher den Dreck wegputzen.

Seit dieser Zeit sind viele Prominentengattinnen „xan-thippisiert” worden. Luthers Ehefrau Käthe gehört wahrscheinlich auch dazu. „Sanftes Frauerl wurde Xanthippe: Jetzt will Ehemann Schadenersatz” stand vor einiger Zeit in einer Tageszeitung zu lesen: Wegen „grober Täuschung” war eine Ehefrau von ihrem Gemahl verklagt worden. Vor der Ehe sei die Dame ein „sanftes anschmiegsames Frauerl” gewesen. Unter den Bedingungen der Ehe hätte die Gattin des bekannten Anwalts aber ihr „wahres Gesicht” gezeigt, und dieses wahre Gesicht soll äußerst schiach gewesen sein.

Und wieviele „Xanthippen” werden gerade jetzt von prominenten Naivlingen angefertigt? Übrigens scheint Xanthippe doch eher eine liebe, brave Ehefrau gewesen zu sein. Denn der Überlieferung nach soll sie die Marmelade erfunden haben. Und wer selber Marmelade einkocht, hat noch selten aufgemuckt - oder vielleicht gerade deshalb?

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