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Zielstrebig

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Merkwürdigerweise sind Verlage nur selten bereit, mit den Eigenarten und Unverwechselbarkeiten eines Autors zu werben. Lieber strengen sie Vergleiche mit anderen, berühmten Autoren an, weil sie offensichtlich meinen, damit den Umsatz besser ankurbeln zu können. Daß dies oft auf Kosten des beworbenen Autors geht, ist dabei offensichtlich zweitrangig.

Ein Beispiel für diese häufig völlig unberechtigte Vorgangsweise ist das Buch „Der Hahn ist tot" von Ingrid Noll, die erste Veröffentlichung dieser Autorin. Von einer „deutschsprachigen ,Lady of Crime'" ist da die Rede (vielleicht hätte man es gleich mit deutscher Sprache versuchen sollen!), der Vergleich mit Patricia Highsmith wird angestrengt - und nichts ist unberechtigter als das. In dem vorliegenden Buch gibt es keine Pseu-dopsychologie, keine scheinbaren Seelenabgründe. Alles ist geradlinig, geht seinen vorgezeichneten Weg, ist von Anfang an absehbar und überraschenderweise trotzdem spannend.

Zielstrebig nähert sich die Ich-Erzählerin umbarmherzig dem Ziel ihrer Liebe, selbst um den Preis, Leben und Liebe aller Umstehenden zu vernichten. Es ist die Geschichte einer ganz normalen Frau, die mit präziser Kalkulation alles aus dem Weg räumt, was sie von ihrem Ziel trennt. Sie ist eine moderne Frau, wie sie in modernen Frauenzeitschriften gerne dargestellt wird: unabhängig, relativ selbstbewußt, initiativ, wenn da nicht noch irgendetwas wäre, das sich nicht genau benennen läßt: die große Differenz zwischen dem Bild nach außen und den Sehnsüchten im Inneren. Und so wie die diversen Liebschaften der handelnden Personen merkwürdig kalt bleiben, bleibt es auch die Katastrophe am Schluß.

DER HAHN IST TOT. Von Ingrid Noll. Diogenes Verlag, Zürich 1991. 266 Seiten, öS 249,60.

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