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Zunahme von Streiks in Jugoslawien

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Sprunghaft gestiegen ist die Zahl der Streiks und Arbeitsunterbrechungen im 1. Halbjahr 1985 in Jugoslawien. An 341 Streiks, das sind nur 40 weniger als im ganzen Jahre 1984, waren rund 25.000 Arbeiter beteiligt.

Laut Statistik haben die Streiks vor allem größere Industriebetriebe erfaßt, und sie dauerten mindestens acht Stunden.

„Die Arbeiter bringen immer weniger Verständnis für langwierige Lösungen ihrer Anliegen und Probleme auf“, heißt es in einer Analyse der Streikursachen der jugoslawischen Gewerkschaftsführung.

Daß während einer Sitzung der Führung des jugoslawischen Gewerkschaftsbundes von einigen Funktionären den streikenden Arbeitern recht gegeben wurde, ist ein Novum und könnte ein Umdenken einleiten.

„Würde die Selbstverwaltung funktionieren, käme es nicht zu Arbeitsniederlegungen“, oder „die Teilnahme an Streiks kann nicht als Verletzung der Arbeitspflicht angesehen werden“, hieß es dazu.

Bisher haben die Gewerkschaftsfunktionäre regelmäßig die Schuld an Mißständen in Betrieben auf „unruhige, aufsässige, feindselige Elemente“ abgewälzt, um nicht ihre Ohnmacht eingestehen zu müssen.

Viele Gewerkschaftsfunktionäre vertreten auch den Standpunkt, daß im Sozialismus, wo theoretisch die Arbeiterklasse herrscht, die Arbeiter nicht gegen sich selbst streiken dürften.

Nun, die Praxis hat die rote Theorie längst widerlegt. Daß in der Regel Gewerkschaftsfunktionäre immer erst im nachhinein vom Streikbeschluß der Belegschaften erfahren haben und dann bestenfalls „von Amts wegen“ bei der Beilegung hinzugezogen wurden, spricht nicht für ihr Ansehen.

Die zwangsorganisierte Arbeiterschaft streikt so an ihrer Organisation, den Gewerkschaften, vorbei, und das aus böser Erfahrung.

Die Gewerkschaftsfunktionäre im jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus, insbesondere ihre beamtete und gut besoldete Führungsschicht, fühlen sich als Teil des politischen Establishments und weniger als Standesvertretung, geschweige denn als Kampforganisation der Arbeiterschaft.

So haben in der Hafenstadt Köper die Hafengesellschaft, der Transportbetrieb, die Partei sowie die Gewerkschaft einen vor kurzem ausgerufenen Streik verurteilt, weil die Forderungen der Hafenarbeiter angeblich „unberechtigt“ gewesen waren.

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