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Zweierlei Maß

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Das Zellstoffwerk Pols wird nun endgültig von der ÖIA G, die im Laufe der Jahre zu einer Beteiligung von 90,5 Prozent verpflichtet wurde, an die zum (privaten) Turnauer-Konzern gehörende Papierfabrik Neusiedler AG verkauft. Es ist zu hoffen, daß damit der Schlußstrich unter einem Leidensweg des Steuerzahlers gezogen ist: Insgesamt flössen nämlich seit dem (vom damaligen Handelsminister Josef Sta-ribacher vorgenommenen) Spatenstich rund 1,7 Milliarden Schilling in das nach Meinung aller Fachleute vom Anfang an zum Scheitern verurteilte Zellstoffwerk.

Die Anlage, die eine Referenzanlage der VOEST werden sollte, funktionierte von allem Anfang an nicht. Bis heute steht die endgültige Betriebsbewilligung aus, weil Umweltfragen (deret-wegen das alte Zellstoffwerk Pols geschlossen wurde!) noch ungeklärt sind.

Als der italienische Eigentümer drohte, das Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen, mußte schließlich aus Gründen der Glaubwürdigkeit der Regionalpolitik, und weil eine Insolvenz verstaatlichte Banken als Kreditgeber getroffen hätte, die öffentliche Hand einspringen. Ungeachtet der hohen Subventionen sitzt Pols heute zusätzlich auf einem Schuldenberg von etwa zwei Milliarden Schilling.

Viele Kommentatoren sehen in der Causa Pols — zu Recht — einen neuerlichen Beweis für das Versagen des Staates als Unternehmer. Ich sehe darüber hinaus auch einen Zusammenhang zu der derzeit geführten Immunitätsdebatte.

Wenn sich nämlich Frau Marga Hubinek wortreich darüber beklagt, daß ohne parlamentarische Immunität Politiker durch Geschäftsstörung sklagen von Unternehmen in Millionenhöhe mundtot gemacht werden könnten, muß man die Gegenfrage stellen, warum für einen Fall wie Pols keiner der für dieses Debakel verantwortlichen Politiker zur Verantwortung gezogen werdensoll.

Und daß der Bau von Pols eine rein politische Entscheidung war — darüber kann es keinen Zweifel geben: Das Projekt wurde damals vom Bundeskanzler gemeinsam mit dem steirischen Landeshauptmann gegen die Bedenken der gesamten österreichischen Papierindustrie und aller ernstzunehmenden Fachleute „durchgezogen“.

Während fahrlässigen Managern heute saftige Haftstrafen drohen, genügt es für fahrlässige Politiker, sich darauf zu berufen, daß sie ihre Entscheidung in Ausübung ihrer politischen Tätigkeit getroffen haben, um straffrei zu bleiben. Aber gleichzeitig setzen wir für einen Bruchteil der Schadenssumme von Pols munter die Koalition aufs Spiel...

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