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Eine Kirche atmet freier

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Im tschechischen Umbruch des Jahres 1968, den man nach einem ersten Überblick eher als Liberalisierung -, denn als Demokrafisierungsprozefj (in westlicher Betrachtungsweise) bezeichnen kann, wird man das Verhallen zur Katholischen Kirche als den vielleicht bemerkenswertesten Test betrachten dürfen. In den bescheidenen Liberalisierungswellen der letzten Jahre, die insgesamt nie richtig den Namen „Enfstalinisierung" verdient haben, hat die Kirche immer so etwas wie ein „Schlußlicht" dargestellt. Von den verwaisten Bischofssitzen konnte lediglich ein einziger, der von Prag, gut, aber nur provisorisch besetzt werden; ein Großteil der inhaftierten Bischöfe und Priester ist wohl im Verlauf dec letzten Jahre — noch unter Novotny — freigelassen worden; dabei dürfen zwei arge Schönheitsfehler nicht übersehen werden: daß sie — im Gegensatz etwa zu den seinerzeit abgeurteilten Kommunisten — nie rehabilitiert, sondern ausschließlich begnadigt wurden und daß sie ihren Beruf nicht mehr ausüben durften, sondern In fremden Berufen arbeiten oder in einem Altersheim zurückgezogen leben mußten. Nur in Einzelfällen durften Bischöfe wenigstens seelsorglich wirken.

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Im tschechischen Umbruch des Jahres 1968, den man nach einem ersten Überblick eher als Liberalisierung -, denn als Demokrafisierungsprozefj (in westlicher Betrachtungsweise) bezeichnen kann, wird man das Verhallen zur Katholischen Kirche als den vielleicht bemerkenswertesten Test betrachten dürfen. In den bescheidenen Liberalisierungswellen der letzten Jahre, die insgesamt nie richtig den Namen „Enfstalinisierung" verdient haben, hat die Kirche immer so etwas wie ein „Schlußlicht" dargestellt. Von den verwaisten Bischofssitzen konnte lediglich ein einziger, der von Prag, gut, aber nur provisorisch besetzt werden; ein Großteil der inhaftierten Bischöfe und Priester ist wohl im Verlauf dec letzten Jahre — noch unter Novotny — freigelassen worden; dabei dürfen zwei arge Schönheitsfehler nicht übersehen werden: daß sie — im Gegensatz etwa zu den seinerzeit abgeurteilten Kommunisten — nie rehabilitiert, sondern ausschließlich begnadigt wurden und daß sie ihren Beruf nicht mehr ausüben durften, sondern In fremden Berufen arbeiten oder in einem Altersheim zurückgezogen leben mußten. Nur in Einzelfällen durften Bischöfe wenigstens seelsorglich wirken.

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Diese mehr als bescheidenen Liberalisierungserfolge verlieren noch an Gewicht, wenn man sie mit den brutalen Maßnahmen vergleicht, die seinerzeit, also in den Jahren nach 1948, gegen die Kirche getroffen wurden. Nach der Deutschenaustreibung waren es zweifellos die brutalsten Maßnahmen, die nach 1945 in der Tschechoslowakei ergriffen wurden. Auch heute, zwanzig Jahre später, kann man eigentlich nur die Fakten aufzählen, die eigentlichen Auswirkungen wird man in ihrem vollen Ausmaß vermutlich nie abschätzen können.

Die Zahl der katholischen Priester betrug 1948 in der Tschechoslowakei,

also nach der im wesentlichen abgeschlossenen Austreibung der deutschen Geistlichen, aber auch nach den Verlusten in der Kriegs- und nationalsozialistischen Zeit 6942, und zwar 5779 Welt- und 1163 Ordenspriester. Dann wurden durch volle zwanzig Jahre keine Angaben mehr über Priester gemacht Die im April 1968 erstmalig wieder veröffentlichten Zahlen über den Klerus der Tschechoslowakei zeigen leider auf, daß die bisherigen, eher pessimistischen Schätzungen noch zu optimistisch waren. Heute gibt es für mehr als zehn Millionen Katholiken nur 3108 Priester, also einen auf rund 3260 Katholiken.

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