Norbert Blüm - © Foto: APA / dpa/ Rolf Vennenbernd

Norbert Blüm: Unverblümt christlich-sozial

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Norbert Blüm, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und  Arbeits- und Sozialminister, starb 84-jährig. Ein Nachruf von Wilfried Stadler.

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Norbert Blüm, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und  Arbeits- und Sozialminister, starb 84-jährig. Ein Nachruf von Wilfried Stadler.

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Werkzeugmacher bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim gewesen zu sein – darauf blieb Norbert Blüm immer stolz. Dass er aus eigener Erfahrung wusste, wie es in der Industrie läuft, machte ihn zu einem glaubwürdigen Kämpfer für die Anliegen der Arbeiterschaft. Als Werkstudent absolvierte er das Abendgymnasium. An der Universität Bonn, wo er in einer Vorlesung von Josef Ratzinger seine spätere Frau kennenlernte, studierte er Philosophie, Germanistik und Theologie.

In der vergangenen Woche verstarb der leidenschaftliche Politiker im 85. Lebensjahr. 16 Jahre hindurch verantwortete Blüm das Arbeits- und Sozialministerium. Auf ihn ist die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland zurückzuführen. Er kämpfte für die Absicherung eines umlagebasierten Pensionssystems und gegen kapitalmarktorientierte Alternativen. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens lehnte er als „Fluchtversuch aus der sozialstaatlichen Verantwortung“ ab.

Blüm wollte sich nicht beliebt machen, aber er war es. Temperamentvoll vertrat er seine Sache stets mit entwaffnender Offenheit und scheute dabei auch nicht Konflikte mit der eigenen Partei. Wegen der Parteispendenaffäre riskierte er sogar den Bruch mit Helmut Kohl. Nicht umsonst lautete sein Lebensmotto „Tue recht und scheue niemand“. Er intervenierte auch auf dem internationalen Parkett, wenn die Menschenrechte es verlangten. So wagte er offene Kritik gegenüber dem chilenischen Diktator Pinochet und kritisierte bis zuletzt das Versagen Europas angesichts der Flüchtlingslager in Griechenland.

Sein wirtschaftspolitisches Wertefundament war die christliche Soziallehre. Solidarität, so meinte er einmal, sei nichts anderes als die politische Form der Nächstenliebe. Mit dem Imperativ „Gerechtigkeit für alle“ habe das Christentum die antike Welt „umgekehrt“. Bis heute sei dies sein entscheidender Auftrag. Den Kerninhalt seiner Überlegungen zu einer gerechten Gesellschaftsordnung fasst er in seinem höchst lesenswerten Buch „Gerechtigkeit – Eine Kritik am Homo oeconomicus“ so zusammen: „Die Elementarkunde der Gerechtigkeit ist ganz einfach: Anerkennung der Würde jedes Menschen.“

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