6574093-1950_34_12.jpg
Digital In Arbeit

Pfarrei und Gemeinde

Werbung
Werbung
Werbung

Das Verhältnis von Urpfarre und Gemeinschaft war nie ein starres, wie sich schon aus den Bezeichnungen wie „Kreuzfahrt“, „Nachbauerschaft“ usw. hervorgeht. Der heutige Begriff Gemeinde kennzeichnet nur eine Art des rechtlich-politischen Siedlungsverbandes. Die verschiedenen Formen des Zusammengehens nach geographischen, verwaltungsrechtlichen, kirchlichen und volksreligiösen Gesichtspunkten festzustellen und nach den Ursachen zu untersuchen, dürfte unserer Zeit näher liegen als den früheren des sogenannten „Staats-kirchentums“ und „politischen Katholizismus“. Der Innsbrucker Dozent Dr. Franz Graß führt in seiner Schrift „Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols“ (Kommissionsverlag „Tyrolia“, Innsbruck, 206 Seiten) alte Zusammenhänge an Hand der gesammelten und gedruckten tirolischen Weistümer und sonstiger alter Rechtsschriften vor und zieht hiebei die einschlägige Literatur sorgfältig heran. Besonders kamen ihm hiebei die Arbeiten seines Bruders, des Innsbrucker Rechtsgeschichtsprofessors Doktor Nikolaus Graß, zustatten. In welchen Lebensereignissen jene Gemeinsamkeiten sich auswirkten, davon zeigen auch Bräuche, Spiele,

Volksandachten und dergleichen mehr. So spricht zum Beispiel das Brauttor der Bozner Pfarrkirche eine eindringliche Sprache, die in vielen anderen Gemeinden, auch in Innsbruck, ähnlich klang. So regieren alte Gemeinschaftsplätze vor der Kirche heute noch über Sitte und Gewohnheitsrecht bis in die tolle Fastnacht hinein. Opfer, die in etlichen Ortschaften zu bestimmten kirchlichen Anlässen üblich waren oder noch sind, weisen auf die alte Käsgemeinde des Vintschgaus oder auf Kleinviehbetrieb einer Hochtalgemeinschaft hin. Franz Graß führt somit Verhältnisse zur Diskussion, die bisher zumeist nur im einzelnen genauer untersucht worden sind, obgleich sie für das innerkirchliche und brauchtümliche Leben des Mittelalters und vereinzelt auch der Neuzeit bestimmend waren. Wie die Abgrenzung und Charakterisierung des tirolischen Gerichtgebietes für Otto Stolz eine Lebensarbeit innerhalb der Archivalien des.Landes bedeutete, so wird dieselbe für die Ur- und Großpfarren des Landes noch viele Einzelstudien fordern. Die Arbeit von Graß lockt zu solchen weiteren Einblicken in die Lebenszusammenhänge zwischen Pfarre und Gemeinschaft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung