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Das Erbe eines Denkers

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Spätlese eigener Hand. Von Leopold Ziegler. Kösel-Verlag, München. 468 Selten. Preis 28 DM

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Spätlese eigener Hand. Von Leopold Ziegler. Kösel-Verlag, München. 468 Selten. Preis 28 DM

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Sendungsbewußtsein, Menschenfreundlichkeit und Humor konnten einen siebzigjährigen Philosophen veranlassen, eine Auslese aus seinem eigenen Lebenswerk zu veröffentlichen. Leopold Ziegler stand sich vielfach selbst im Wege: die eigenwillige, aus fast magischem Wortgespür stammende Sprache konnte ihn niemals populär machen; und die ihm eigentümliche Kombination von Philosophie, Theologie, Religionswissenschaft (einschließlich Mystik und Magie) und Geschichte machte ihn bei den Fachleuten suspekt. Darüber sollte Ziegler nicht trauern. Denn was er dachte und schrieb war „Ahmung" (wie er es selbst nennt), wofür es weder Publikum noch Schüler gibt — nur solche, die aus der oberflächlichen Nachahmung aufgetaucht sind, werden verstehen. Und für diese hat Ziegler den Band der „Spätlese" mit eigener Hand herausgegeben.

Was im Papierwald der Zeit vergessen wurde, hat er nochmals in diesem Bande zusammengefaßt und zugleich eine Einführung in die wichtigsten Teile seiner zahlreichen Bücher gegeben, indem er aus diesen Abschnitte von Wichtigkeit abdrucken ließ. So hat Ziegler einen Ziegler in nuce geschaffen. ln drei Abschnitte gliedert sich der Inhalt: I. Reihe: Kunst, Künstler und Künste (wohl das beste und leider auch bisher vergessendste, was

Ziegler hinterlassen wird). II. Reihe: Wirtschaft, Herrschaft und Gesellschaft. III. Reihe: Frühwelt, Welt und Ueberwelt.

„Wesensschau und Werkschöpfung" bringt Ziegler im Gebiet der Aesthetik, Soziologie und Religionswissenschaft zur Anwendung. Dadurch werden diese aber mehr als ihr Name gewohnheitsmäßig meint. „Die Epiphanie des Gottes" macht aus der Aesthetik eine Metaphysik, macht aus der Soziologie eine „Metapolitik", macht aus den Gedanken über vorgeschichtliche, geschichtliche und offenbarte Religion eine neuartige Theodizee. Indem das N a c h-ahmen und das N a c h-denken verlassen wird, nachdem es zuerst geleistet wurde in strenger Wissenschaftlichkeit, kommt in der Aesthetik das „Ahmen“, in der Soziologie die „Handlung", in der Religionswissenschaft das „Schauen" zustande. — Ziegler versteht es, den Mitdenkenden zum Mitleben zu bringen — ein Anliegen, dessen wir uns leider in den rationalen Wissenschaftsbetrieben längst entwöhnt haben. Ob man die „Spätlese eigener Hand" zuerst oder als Handbuch oder am Ende nach der Lektüre des Gesamtwerkes liest, sie wird immer ihren Zweck erfüllen: ein dankenswertes Erbe eines Denkers darzustellen.

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