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Der Haß der Juden auf sich selbst

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Gllmans Buch ist bestens als Einführung in die komplexe geistige Situation des modernen Judentums geeignet, obwohl nur ausgewählte Autoren vorkommen.

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Gllmans Buch ist bestens als Einführung in die komplexe geistige Situation des modernen Judentums geeignet, obwohl nur ausgewählte Autoren vorkommen.

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Der Verlag hat gut daran getan, die klassische, gelehrte Studie des amerikanischen Humanwissenschaftlers Sander L. Gilman über den Jüdischen Selbsthaß aus dem Jahr 1986, die in den USA zum Standardwerk avancierte, auf deutsch herauszugeben. Das Buch ist die bisher einzige fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen, da Theodor Lessings subjektive Darstellung aus dem Jahr 1930 noch viel mehr aus der Situation des Beschriebenen heraus verfaßt worden war.

Gilman analysiert die Mechanismen der Projektion und My-thenbildimg, den Prozeß der Assimilation durch die Abgrenzung von der fiiiheren Außenseiterstellung, die Übernahme der Werte der feindseligen Umwelt und die dadurch verursachte Persönlichkeitsspaltung. Er beschreibt aber zugleich den umgekehrten Prozeß der Entmenschlichung des Juden in der christlich sowohl katholischen wie reformierten Geschichte und Theologie.

Es gelingt ihm, seine These von der verborgenen Sprache der Juden, dem Spiegelbild ihrer angeblichen Verderbtheit, zu untermauern imd zu zeigen, wie sehr dieses Stereotyp von Juden selbst übernommen oder abgewehrt, dadurch aber ebenso akzeptiert vrarde. Der Autor geht immer von jüdischen Selbstaussagen aus und kann seine These am transparentesten bei Marx, Kafka und Freud aufzeigen, der in seinem Buch „Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewußten" das Mauscheln und den Jargon, die deutlichsten Zeichen der jüdischen Andersartigkeit, in klarer Wissenschaftsprosa neutralisierte.

Während es im späten 19. Jahrhundert zu einer Verbindung zwi

schen Frauen- und Judenfeindlichkeit kam, war mit dem Aufkommen des Zionismus zu beobachten, wie in der idealisierten Darstellung des Ostjuden diesen jene Werte zugeordnet vrarden, die auch innerhalb der deutschen Kultur als positiv galten.

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