6768246-1968_43_08.jpg
Digital In Arbeit

„Unruhiger“ junger Klerus

Werbung
Werbung
Werbung

Jede Beruf Sgruppe hat ihre Jugend; auch der Klerus. Was man als jungen Klerus bezeichnet, ist im Sinn der konventionellen sozialen Einteilung der Gesellschaft nach Generationen (Kinder, Jugend, Erwachsene und „Alte“) freilich nicht mehr absolut, wohl aber relativ jung. Vor allem gilt das unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß man im Klerus bis vor wenigen Jahrzehnten eine Pensionierung nur in Ausnahmefällen und kaum bei kirchlichen Vorgesetzten kannte. Daher gab es (und gibt es auch noch heute) an Jahren alte und noch immer aktive Kleriker und daneben die Klerikergeneration der Fünfundzwanzigjährigen. Daher stellt sich beim Klerus das schichtinterne Genera- tioneniproblem in einer besonderen Schärfe dar, und dies vor allem in einer Zeit, in der sich eine allgemeine Emanzipation der Jugend in der Industriegesellschaft und ihre Konstitution als autonome soziale Großgruppe (als „Generationsklasse“) zu vollziehen scheint.

Die offenkundige Unruhe im jungen Klerus ist daher nicht allein ein theologisches oder ein kulturelles Problem, sondern sollte auch unter sozialen Aspekten betrachtet werden.

Die Sozialisierung des Klerus, seine Einführung in die Wert- und Ordnungsvorstellungen der Gesellschaft, erfolgt zu einem großen Teil (zumindest formell) jenseits des Elternhauses im Bereich von Anstalten. Praktisch gibt es freilich — wie in der profanen Erziehung — auch die unlegitimierten, jedoch unübersehbaren Miterzieher (etwa; Fernsehen) und dadurch eine gespaltene Erziehung. Die Verhaltens- und Denkerwartungen, welche die Gesellschaft an die jungen Menschen stellt, präsentieren sich dem Theologiestudenten vielfach in der paragraphierten Form von Hausordnungen, deren Ziel jedoch in erster Linie die Erzwingung einer unvermeidbaren Anpassung an die tradierten Normen eines Erziehungskollektivs sind und sein müssen. Um die kollektive „häusliche“ Ordnung und auf diese Weise eine optimale Kollegialität zu sichern, wird daher in erster Linie zum Gehorsam und weniger zur Freiheit erzogen (L. v. Deschwanden in Jahrbuch für Religionssoziologie, IV, S. 130), wobei nicht selten dem Gehorsam der Rang eines Gebotes „Höherer Ordnung“ zugemessen und Gehorchen fast mit Glauben gleichgesetzt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung