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Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ reibt sich mit böser Zunge an Ex-Minister zu Guttenberg, der in einem Interview sein Plagiat bereut - oder auch nicht.

Es ist, ganz offensichtlich, in diesen Tagen nicht nur ein Vergnügen, Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble zu sein, dauernd ist Krise, dauernd müssen Krisensitzungen durchgestanden, Krisenbeschlüsse gefasst, Krisennachrichten verstanden werden. Die Nächte sind zu kurz, die Momente der Besinnung zu wenige.

In dieser Lage ist es natürlich interessant, die ausgeruhten Meinungen eines ausgeschlafenen Mannes zu hören - eines Mannes, der gerade acht Monate Sommerferien hinter sich hat, und zwar, wie es ausschaut, in einer der schönsten Gegenden der amerikanischen Ostküste, in einem kleinen Millionärsstädtchen in Connecticut, wo die Villen weiß gestrichen sind, und New York ist nah, und übers Meer kann man hinüberfahren, nach Montauk oder Sag Harbor oder hinauf nach Martha’s Vineyard, wo es, im Edgartown Yacht Club, einen ausgezeichneten Hummer gibt, und die Gentlemen haben Stil genug, zu den Loafers keine Strümpfe zu tragen.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat der Zeit ein sehr großes Interview gegeben, und weil Zeitungen ja den Auftrag haben, Neuigkeiten zu verbreiten, kommt das Interview, auf der letzten von vier großen Zeitungsseiten, auch auf den nachrichtlichen Kern. Er sieht anders aus: "älter“, findet die Zeit, einen "harten Zug“ habe er jetzt im Gesicht. Und Guttenberg antwortet: "Ich bin durch das, was sich in diesem Jahr abgespielt hat, schwer gezeichnet.“

Wenn Fragen schmeicheln

Und spätestens das ist der Moment, da fragt man sich, warum der Interviewer Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit und eigentlich ein smarter und sehr erfahrener Journalist, das Gespräch nicht abbricht und dem Herrn zu Guttenberg sagt, dass er das ganze Geheuchel und Gejammer nicht mehr hören kann. Denn Guttenberg hat bis zu diesem Moment ja schon so viel irres Zeugs erzählt, dass man sich alle zehn Zeilen fragte: Wie hält der Interviewer das bloß aus? Wie hält er es aus, wenn Guttenberg von Disketten erzählt, die ihm durcheinandergeraten seien; von fremden Texten, die er beim Wiederlesen für eigene gehalten habe; von Fälschungen, die so plump seien, dass sie die Fälschungsabsicht dementierten.

Geschichten von Frau Zehnpfennig

Aha, möchte man da immer fragen, weil die Zeit es ja unterlässt: Sie haben vermutlich noch einen dieser dampfbetriebenen Computer, die Rillen in wächserne Platten ritzen. Und wenn Sie Ihre eigenen Texte nicht von fremden unterscheiden können: Wie geht es Ihnen eigentlich, wenn Sie in den Spiegel schauen? Erkennen Sie diesen Mann?

Und wenn Guttenberg die Politikwissenschaftlerin, von der er die Einleitung seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, "eine Frau Zehnpfennig“ nennt; wenn er, der sich eineinhalb Seiten lang geweigert hat, ein Plagiat ein Plagiat zu nennen, erzählt, dass er erzogen sei, Fehler immer zuzugeben, dann möchte man nur noch sagen: Ja, dieses bürgerliche Pack, hat einfach keine Ahnung und keinen Stil!

Und das ist genau der Grund, warum man, der Zeit danken sollte. Es gibt ja kaum jemanden, der, wenn er Guttenberg in dessen großer Zeit begegnet ist, ganz immun war gegen das, was man Charme nennen kann oder eben das Talent zum Blenden.

Denn Guttenbergs Talent braucht, wie man in der Zeit deutlich lesen kann, Körper, Gesicht, Stimme. Es braucht Bild und Präsenz. Wenn das wegfällt, wenn das, was Guttenberg zu sagen hat, nur in der Schriftform vorliegt: Dann bleibt nichts übrig, nur ein Mann, der heuchelt, jammert und zu politischen Fragen nichts außer Floskeln zu sagen weiß. Ein Stammler.

* Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 11. 2011

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