"Die Ideen des Kronprinzen sind die Ideen meines Mannes"

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Ensaf Haidar, die Frau des saudischen Bloggers Raif Badawi, über den Leidensweg ihres Mannes, die Bedeutung internationaler Solidaritätsbekundungen und die Signale für ein politisches Tauwetter in Saudi-Arabien.

DIE FURCHE: Frau Haidar, Ihr Mann Raif Badawi ist seit über fünf Jahren eingesperrt, Sie leben mit Ihren drei Kindern im Exil in Kanada -wie schaffen Sie es noch, die Hoffnung auf ein gutes Ende und ein Wiedersehen wach zu halten?

Ensaf Haidar: Ich habe keine andere Wahl, die Situation lässt mir keine andere Möglichkeit als zu kämpfen. Aber natürlich haben die fünf Jahre der Trennung auch bei uns Spuren hinterlassen. Das Warten bestimmt unseren Alltag. Daneben versuche ich mit meinen Kinder, so gut das eben geht, ein normales Leben zu führen. Wir haben in unserer neuen Heimat Kanada viele Freunde gefunden, die uns gleichsam adoptiert haben und für uns zu einer neuen Familie geworden sind. Wir bemühen uns auch sehr, uns gut zu integrieren. Aus einer traditionell erzogenen Frau in Saudi-Arabien ist in Kanada eine neue Frau geworden, die nicht aufhört, dafür zu kämpfen, dass Raif frei gelassen, sein Leidensweg beendet und unsere Familienzusammenführung endlich ermöglicht wird.

DIE FURCHE: Welche Rolle spielen in diesem Kampf die Mahnwachen für Raif in Wien, in Tübingen, in Kanada und anderswo?

Haidar: Das ist eine großartige Unterstützung. Und ich werde nicht müde, mich für die große Treue dieser Menschen zu bedanken, die sich Woche für Woche, bei jedem Wetter versammeln und die Erinnerung an meinen Mann und andere Gewissensgefangene wach halten. Wissen Sie, was das Allerschwierigste für Raif und alle anderen in seiner Situation ist? Es ist die Angst, vergessen zu werden. Wenn ich ihm aber sagen kann, dass ihn die Welt nicht vergessen hat, dass sich viele Menschen in Wien jeden Freitag versammeln und ihm die Treue halten, dann hilft das, seinen Kampfgeist wach zu halten. Ich danke jeder Einzelnen, jedem Einzelnen, ich danke den europäischen Grünen, der "Arge Raif" die seit vielen Jahren nicht zulassen, dass mein Mann in Vergessenheit gerät. Die Welt ist treu, das gibt Mut, das gibt Hoffnung. Und Hoffnung ist für uns das wichtigste. Ich wünsche mir so sehr, dass Raif und unsere Kinder einmal persönlich nach Wien kommen und allen danken können, die ihn und uns nicht vergessen haben.

DIE FURCHE: Welche Unterstützung würden Sie sich noch wünschen?

Haidar: Alles, was dazu beiträgt, dass Raif nicht in Vergessenheit gerät, hilft uns. Jede Unterstützungserklärung, egal ob von Politikern oder Bürgern ist wichtig, weil sie der saudischen Regierung zeigt, dass die Welt Raif nicht vergisst.

DIE FURCHE: In Saudi-Arabien wecken gerade Liberalisierungs-Ansagen von Kronprinz Mohammed bin Salman und Zugeständnisse an Frauen Erwartungen auf einen politischen Kurswechsel. Sehen Sie darin auch eine Chance für Ihren Mann?

Haidar: Diese Frage bekomme ich jetzt oft gestellt. Aber für mich ist das noch kein Kurswechsel, wenn Frauen das Autofahren erlaubt wird -auf der ganzen Welt ist das eine Selbstverständlichkeit. Für die politischen Gefangenen hat dieser angebliche Kurswechsel jedenfalls noch keine Verbesserungen gebracht. Und was die Aussagen des Kronprinzen betrifft: Seine jetzt geäußerten Ideen sind die Ideen meines Mannes. Raif hat sie schon vor fünf Jahren gesagt -und er musste dafür ins Gefängnis. Ich hoffe jedenfalls, dass jetzt auch in Saudi-Arabien jene Parteien Oberwasser bekommen, die sich für Menschenrechte einsetzen. Leider ist bis jetzt nichts davon zu bemerken. Meinungsfreiheit gibt es nicht, aber wir kämpfen weiter, und wir hoffen weiter.

Wissen Sie, was das Allerschwierigste für Raif und alle anderen in seiner Situation ist? Es ist die Angst vergessen zu werden. Die Mahnwachen helfen ihm, seinen Kampfgeist wach zu halten.

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