Abgehetzt oder abgehängt?

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Gelegentlich ist uns Deutschland debattenmäßig voraus. Wobei des Österreichers Lust an der Selbstgeißelung nicht ganz so ausgeprägt wie jene des großen Nachbarn ist. Die neue "Unterschicht"-Diskussion ist so peinigend wie aktuell. Natürlich gibt es auch bei uns die nicht Integrationsfähigen und/oder-willigen, gleichgültig, ob sie Inländer oder Immigranten sind. Ein Rückstand an Bildung, Erziehung, Artikulationsfähigkeit ist das Eintrittstor für eine "Karriere" als Sozialfall. Verfestigte Unterschicht nennt man das in Deutschland.

Auf der anderen Seite der Medaille befinden sich die so genannten Leistungsträger. Ihre Arbeitsbelastung hat in den letzten zwei, drei Jahrzehnten drastisch zugenommen. Gleichzeitig ist aber auch der Steuerdruck auf diese, nennen wir sie: Mittelschicht gewachsen. Das führt, wie es die deutsche Zeit jüngst formulierte, zum Neid der "Abgehetzten" auf die "Abgehängten". Während die einen das Gefühl haben, wie die Zitronen für den Sozialstaat ausgequetscht zu werden, fühlen sich die anderen trotzdem im Stich gelassen.

Erhöht eine neue Regierung Krankenversicherungsbeiträge und andere Abgaben für die "Abgehetzten" weiter, droht auch in Österreich bald Entsolidarisierung. Was dann auch für die "Abgehängten" ein Problem ist.

Man wird darüber reden müssen, ab welcher Höhe der Sozialleistungen der Anreiz gering wird, auf eigenen Beinen zu stehen, und ob es für den beruflichen Wiedereinstieg nicht einen neuen Niedriglohnsektor - sozialversichert - für einfache Arbeiten geben müsste. Wahrscheinlich ist es weniger erniedrigend, an der Supermarktkassa Waren für die Kunden einzupacken, als von der Notstandshilfe leben zu müssen. Oder sehen das nur die Abgehetzten so?

Die Autorin ist Innenpolitik-Ressortleiterin der "Presse".

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