Das neue Bewusstsein

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In einer bemerkenswerten Analyse benennt der Publizist Roger de Weck im profil Anhaltspunkte für ein neues gesellschaftliches und politisches Bewusstsein im angehenden 21. Jahrhundert. Sein Blick streift Österreich dabei lediglich, zumal die Schlussfolgerungen auch für unser Land auf der Hand liegen. Ich teile die Auffassung, dass mit dem Untergang des osteuropäischen Sozialismus der "westeuropäische Kapitalismus schlagartig unsozialer" wurde, ebenso wie die Sorge vor einem vor uns liegenden reaktionären Jahrzehnt.

Da ich De Weck auch Recht gebe, dass manche Entwicklung nicht so sehr aufgrund ethischer Überzeugung, sondern wegen vorhandener oder geschaffener Feindbilder stattgefunden hat, interessieren mich die Vorgänge hierzulande besonders. So unsympathisch mir die Sprüche der Blairs und Schröders sind, es gebe kein "Recht auf Faulheit", so beunruhigt mich der heimische Ruf nach Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen oder die Besteuerung der Unfallrenten noch mehr. So ekelhaft mir die ordnungspolitischen Vorstöße der Schills und Schilys sind, so stoßen mich Westenthalers "Integrations"-Vorschläge und seine grundrechtsbedrohenden "Sicherheits"-Vorstellungen noch mehr ab. So evident die weltweite Diskriminierung der Frau ist, so empfinde ich dennoch den Rückschritt österreichischer Frauenpolitik als Schlag in die Magengrube.

Der Grund dafür liegt nicht nur darin, dass Fehler in der Nähe mehr weh tun als solche in der Ferne, sondern dass ich das Gefühl habe, dass wichtige Kontrollmechanismen in unserem Land gelähmt sind. Am Beispiel Temelín zeigt sich, dass die Opposition nicht nur kein Korrektiv ist, sondern sich ebenso antieuropäisch und populistisch verhält wie ein Großteil der Regierung(sparteien).

Und wenn selbst beim Angriff auf den Verfassungsgerichtshof (nicht bei Kritik!) das demokratische Alarmsystem innerhalb der Regierung nicht mehr anschlägt, sondern man sich mit diplomatischem Herunterspielen begnügt, so ist die Sorge, wie es denn um das neue Bewusstsein in Österreich bestellt ist, mehr als angebracht.

Heide Schmidt ist Vorsitzende des Instituts für eine offene Gesellschaft.

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