Die Ärmsten helfen am meisten

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Im vergangenen Sommer in einem Flüchtlingslager im Sudan: Eine Frau sitzt neben der Straße, verkauft Zuckerl, die sie vor sich auf einem Blechteller liegen hat. Ich möchte eine Handvoll kaufen, doch mein sudanesisches Pfund, obwohl nur ein paar Cent wert, ist viel zu viel und sie kann nicht wechseln. Mein "Passt schon!" akzeptiert sie nicht, Trinkgeld ist hier nicht üblich - schlussendlich schenkt sie mir die Zuckerl.

Arme, die mit ihrer Großzügigkeit und Gastfreundschaft die reichen Besucher beschämen - überall, wo der Massentourismus noch nicht den Charakter verdorben hat, ist man ständig mit solche Erfahrungen konfrontiert. Und die aktuelle UNHCR-Weltflüchtlingsstatistik belegt die Solidarität der Ärmsten auch auf der Makroebene: Beim Brutto-Nationaleinkommen pro Kopf liegt Pakistan an 162. Stelle (von 193 Staaten) - bei der Aufnahme von Flüchtlingen führt es die Weltrangliste an (siehe Grafik Seite 2). Gefolgt von Syrien und dem Iran, die beim Pro-Kopf-Einkommen ebenfalls abgeschlagen rangieren. Deutschland, Großbritannien und die USA sind die einzigen Industrieländer, die es unter die Top 10 der Aufnahmeländer schaffen.

Die meisten Flüchtlinge weltweit leben in Entwicklungsländern - und bleiben dort. 86 Prozent der Flüchtlinge verlassen ihre Heimatregion nicht: Afghanen in Pakistan und Iran, Iraker in Syrien und Jordanien, Somalier im Jemen, Sudanesen im Tschad … Die Integrationsleistung, die diese wirtschaftlich schwachen Staaten und ihre an der Armutsgrenze lebenden Menschen aufbringen, ist gemessen an westlichen Maßstäbe unvorstellbar. Die reichsten Staaten der Welt stöhnen schon bei der Aufnahme von ein paar Tausend Flüchtlingen - beschämend, verstörend und ins richtige Lot rückend! So wie wenn man als Reicher von einer der Ärmsten eine Handvoll Zuckerl geschenkt bekommt.

wolfgang.machreich@furche.at

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