Die Angst vor der Büchse der Pandora

Werbung
Werbung
Werbung

Der Parkpickerl-Streit hat der Opposition eine Bühne gegeben. Doch genützt haben ÖVP und FPÖ diese Chance - wie auch andere - nicht.

FPÖ und ÖVP pflegen nach der Wiener Wahl 2010 wieder den uralten Mythos: sie seien die politische "Opposition“ - realpolitisch sind sie dabei leider und bei bes-tem Wollen chancenlos. Gegenfaktum ist: Viele Entscheidungen im Wiener Stadtsenat (wie im Gemeinderat) fallen einstimmig oder in einer breiten Abstimmungsallianz. Die Anwendung der SPÖ-Regierungsmehrheit war jedenfalls bis zu den Wahlen 2010 die große Ausnahme.

Opposition impliziert opponieren wollen und können und somit den Willen und die Fähigkeit, einen qualitativen Dissens in der Stadtpolitik zu formulieren und praktisch zu verfolgen. An sich müsste eine Opposition die Büchse der Pandora öffnen wollen - wenn da nicht die Angst vor eben dieser wäre, die FPÖ und ÖVP in Wien hegen. Es könnte ja eine noch größere Plage über sie hereinbrechen.

Parkpickerl - kurzer Blick in die Büchse

Bei den letzten Wiener Wahlen erreichte die FPÖ das Niveau von 1996, das damals zwar ein Spitzenergebnis war, heute aber nicht als Maßstab gelten sollte. Der Sieg hätte andere Proportionen haben müssen, um der Proportion der euphorischen Feier am Rathausplatz gerecht zu werden. Ihr politisches Programm ist mit antiglobalistischer Attitüde die Verteidigung Wiens als soziale Heimat gegen die EU, die vielen Einwanderer. In der kommunalpolitischen Praxis ist die FPÖ eine "Sponti-Partei“ - mal und mit einem vorhersehbaren Thema auf großen Plakaten präsent, dann schon wieder weg aus der Öffentlichkeit. Ansätze für eine kontinuierliche inhaltliche Politikentwicklung sind ihr abhold. Was tun ihre 365 Tage im Jahr sehr gut alimentierten Kommunalvertreter?

Die Wiener ÖVP hingegen erlebte 2010 ihr "Jahrhunderthochwasser“. Sie mutierte zur Kleinpartei, was schnell in der black box der Parteigeschichte verschwand. Weder parteiintern noch mit einer umfassenden unabhängigen Expertise wurde das Datum aufgearbeitet. Stattdessen wurden im internen Schnellverfahren ein neuer Hoffnungsträger gekürt und Machtfunktionen hurtig nach dem parteiinternen Proporz vergeben. Man war wieder aufgestellt, für das selbstzentrierte Wiener Politiksystem.

Im rot-grünen Regierungsprogramm von November 2010 schlummerten einige Sprengthemen. Eines war die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung - es blieb vorläufig ungelesen. Als die Stadtpolitik Anfang 2012 ernst machte, begann die Mobilisierung, weil sich da und dort Gewerbetreibende und andere Aktive aus ganz unterschiedlichen Motiven empörten und Unterschriften sammelten. Schnell kam ein Mehrfaches der für eine Volksbefragung notwendigen Anzahl an Unterstützungserklärungen zusammen. ÖVP und Wiener Wirtschaftskammer waren nicht die treibenden Kräfte, sondern schlussendlich Seiteneinsteiger, während die FPÖ demonstrativ auf den Zug "aufsprang“. Auf wienerisch: Glücklich ist, wer mittut, was nicht zu verhindern ist. Die ÖVP wollte die Bürger über die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung befragen. Aber durchaus widersprüchlich hatte sie schon Anfang 2012 ein Modell der Parkraumbewirtschaftung zur Diskussion gestellt, das sich von der bisherigen Praxis der Bewirtschaftung nur in Details unterschied und die Ausweitung nicht ausschloss.

Man kann allenfalls von einem begrenzten materiellen Sachkonflikt zwischen Stadtregierung, ÖVP und FPÖ sprechen. Nicht das Ob war die Differenz, sondern ein wenig das Wie. Vermieden wurde ein Wertekonflikt über die jeder Variante der Parkraumbewirtschaftung unterliegenden Annahme, dass Parken eine Berechtigung des Autofahrers im öffentlichen Raum sei. Genau darüber hätte man einen qualitativen Diskurs führen müssen, um folgend die Bürger über echte Alternativen bindend abstimmen zu lassen. Die Büchse der Pandora wurde aber nur einen Spalt und kurz geöffnet.

Schuldenexplosion - die Büchse bleibt zu

Kern der rot-grünen Stadtpolitik ist die Politik der Wohlfahrt. Wien ist treu dem Roten Wien eine "Wohlfahrtskönigin“, die verspricht, das soziale Diesseits zu verschönern. FPÖ und ÖVP sind Juniorpartner der sozialen Großzügigkeit. Die offiziell "maßvolle“ Verschuldung der Stadt erreichte zum Jahresende 2012 schwindelnde 4,34 Milliarden Euro. Tendenz 2013 steigend. Von 2014 bis 2016 wolle man keine neuen Schulden machen, danach wolle man die mindestens fünf Milliarden Euro an aufgehäuften Schulden abbauen.

Schon common sense weiß es: diese Politik ist finanziell nicht nachhaltig. Ist sie generationengerecht? Wer sind die Kreditgeber für die Verschuldung? Chinesische Staatsfonds, internationale Hedgefonds? Wer wird warum und wie viel zur Schuldenabtragung beitragen müssen? Durch Verzicht und/oder durch höhere Steuern und Abgaben? Die Antworten findet nur, wer die Büchse der Pandora mutig öffnet.

Der Autor ist als ao. Universitätsprofessor und Politikberater tätig

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung