Die neuen Augen und Ohren der Menschenrechte

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Zum "Menschenrechtshaus der Republik“ will sich die Volksanwaltschaft entwickeln. Sie wird ab 1. Juli sämtliche Einrichtungen kontrollieren, in denen Menschen angehalten werden.

Eine Anlaufstelle für Bürger, die sich von Verwaltungsorganen ungerecht behandelt fühlen, wird die Volksanwaltschaft weiterhin bleiben. Zusätzlich wird sie ab dem 1. Juli für den gesamten Bereich der Menschenrechte zuständig sein: Jegliche Menschenrechtsverletzung - von rassistischer Diskriminierung in Ämtern bis hin zu physischer Gewalt durch die Sicherheitsbehörden - sei schließlich der denkbar schwerstwiegende Fall einer Verwaltungsübertretung, meint Volksanwältin Gertrude Brinek.

Die Furche: Die Volksanwaltschaft steht vor der größten Kompetenzerweiterung seit ihrer Einrichtung vor 35 Jahren. Dafür blieb nur ein halbes Jahr Zeit. Wie haben Sie sich auf diese Herausforderung vorbereitet?

Gertrude Brinek: Wir diskutieren über die Definition von Richtlinien für die Betreuung von Menschen, die aus verschiedensten Gründen mit Freiheitsentzug und Anhaltung konfrontiert sind: Wo sind in punkto Menschenrechte die Grenzen zu ziehen? Wie wird etwa mit dementen Menschen in Altenheimen umgegangen? Werden sie angebunden oder "niedergespritzt“? Werden sie über ihre Rechte informiert? Zudem erarbeiten wir ein Schulungsprogramm für die Mitglieder der Besuchskommissionen, die als "Augen und Ohren“ der Volksanwaltschaft sämtliche öffentliche und private Einrichtungen kontrollieren werden. Wir bauen gerade eine Datenbank auf, um die Ergebnisse der Kommissionen auszuwerten und ins Parlament sowie nach Genf zu schicken.

Die Furche: Mit der Umstrukturierung des neuen Menschenrechtsbeirates in die Volksanwaltschaft setzt nun auch Österreich das UN-Zusatzprotokoll gegen Folter und erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) um. Wieso hat das 10 Jahre gedauert?

Brinek: Wir haben nicht nur die Verpflichtungen aus dem OPCAT-Protokoll umgesetzt, sondern Österreich hat sich auch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Dazu haben wir die Verfassung und das Volksanwaltschaftsgesetz ändern müssen. Wie viele andere europäische Länder sind wir gerade in der Umsetzung. Eine Nasenlänge voraus sind uns Länder wie Dänemark, Schweden, die Tschechische Republik, Slowenien, Zypern und Polen.

Die Furche: Wie wird die Arbeit der neuen Besuchskommissionen aussehen?

Brinek: Die Kommissionen werden routinemäßig und flächendeckend, aber auch schwerpunktmäßig Kontrollbesuche machen. Dabei haben sie uneingeschränkten Zutritt zu allen Orten der Freiheitsentziehung. Bei Kontrollbesuchen muss das Personal den Kommissionen alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen.

Die Furche: Wie werden sich die Kommissionen zusammensetzen?

Brinek: Wir haben bunt durchmischte Expertengremien bestellt: Juristen, Psychiater, Psychologen, Pflegepersonal, Behinderten-Fachleute, Strafvollzugs-Experten. Wir achten darauf, dass die Kommissionen geschlechtergerecht und multiethnisch zusammengesetzt sind. Bundesweit wird es sechs Kommissionen mit insgesamt 48 nebenberuflich tätigen Mitgliedern geben.

Die Furche: Wie wollen Sie den neuen Arbeitszugang der Prävention umsetzen?

Brinek: Indem wir uns an vorhandenen internationalen und nationalen Standards orientieren. Der Erfahrungsaustausch mit den zuständigen Stellen des Europarats, der UNO und anderen nationalen Präventionsmechanismen ist maßgebend. Vor allem für die neuen Aufgabenfelder wie Psychiatrien oder Pflegeheime wird es wichtig sein, anhand von Protokollstandards die Einrichtungen zu überprüfen und die Ergebnisse auszuwerten: Wie steht es hier mit Hygiene, mit Freizeit, mit den Menschenrechten? Durch die neuen Standards sollen unterschiedlich strukturierte Einrichtungen untereinander vergleichbar werden. Bisher haben wir im Nachhinein kontrolliert, die Prävention ist unser neuer Zugang.

Die Furche: Der Menschenrechtsbeirat ist vom Innenministerium in die Volksanwaltschaft umgesiedelt. Was erhoffen Sie sich von dieser Umstrukturierung?

Brinek: Erstmals bilden Mitglieder des Menschenrechtsbeirats und des Innenministeriums gemeinsam das Beratungsorgan der Volksanwaltschaft. Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen, haben sie nun ein gemeinsames Ziel im Blick: die Umsetzung der Menschenrechte. Mittlerweile sitzen NGO-Vertreter und Regierungsvertreter nicht mehr vis à vis, sondern gemischt im Saal. Das ist ein echter Kulturwandel.

Die Furche: Die Kompetenzen der Volksanwaltschaft haben sich um ein Vielfaches erweitert, das Budget aber nicht. Wie kann das funktionieren?

Brinek: Es liegt in unserer Verantwortung, gemeinsam mit den Kommissionen das Budget effizient einzusetzen, etwa durch gut koordinierte Besuchsfahrten. Wir werden unsere Arbeit auch entsprechend evaluieren.

Vom wahren Leben im Rechtsstaat

Aufzeichnungen einer Volksanwältin.

Von Gertrude Brinek. Styria Premium 2012.

336 Seiten, gebunden, 24,99 Euro.

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