"Die Sozialpartnerschaft ist längst tot"

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Sepp Schellhorn (51) ist Hotelier und Gastwirt in Salzburg. Seit 2014 gehört er dem Nationalrat an. Im Gespräch mit der FURCHE fordert der NEOS-Politiker ein Ende der Kammerpflichtmitgliedschaft. und setzt sich für freiwillige Interessenverbände ein.

DIE FURCHE: Von der Regierung hört man derzeit nichts über eine Kammerreform und über ein mögliches Ende der Pflichtmitgliedschaft. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?

Sepp Schellhorn: Eine große Reform von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer steht nach wie vor aus. Alles, was derzeit in den Kammern vorgeht, ist nur Placebo. Dahinter steckt nichts. Die Einsparungen, die die WKO den Unternehmen versprochen und präsentiert hat, werden in den nächsten Jahren durch die steigenden Einnahmen aus den Umlagen wieder ausgeglichen.

DIE FURCHE: Was soll sich Ihrer Meinung nach bei den viel diskutierten Umlagen ändern?

Schellhorn: Die Kammerumlage 2 wurde vom früheren WKO-Präsidenten Rudolf Sallinger eingeführt, um notleidende Unternehmer temporär zu unterstützen. Es hätte ein Solidarbeitrag sein sollen. In einem ersten Schritt bräuchte es ab sofort eine neue Berechnungsgrundlage der Kammerumlage 2. Statt dem Bruttolohn soll der Nettolohn des Mitarbeiters dafür herangezogen werden. In absehbarer Zeit möchten wir als NEOS erreichen, dass die Kammerumlage 1 (KU1) und Kammerumlage 2 (KU2) abgeschafft werden.

DIE FURCHE: Sie sind gegen die Mitgliedschaft?

Schellhorn: Ich bin gegen die Pflichtmitgliedschaft und für den freien Wettbewerb. Wenn eine Organisation wie die Wirtschaftskammer die Leistungen für Unternehmer nicht erbringen kann, führt sie sich selbst ad absurdum. Das einzige Interesse der WKO besteht im Moment darin, ihre Pfründe zu sichern und Einnahmen aus den Umlagen zu bekommen. Ich war über zehn Jahre lang Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung. Das ist ein freiwilliger Zusammenschluss von über 1.400 Betrieben. Sie setzt sich für ihre Mitglieder ein. Das sollte die WKO auch tun.

DIE FURCHE: Einige Unternehmen weigern sich, die Umlagen zu zahlen. Dachten Sie auch schon in diese Richtung?

Schellhorn: Ja, ich dachte daran. Ich möchte es mit einer Firma versuchen und abwarten, ob ich von der WKO geklagt werde. Ich werde bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen. Denn niemand darf zu einer Mitgliedschaft gezwungen werden.

DIE FURCHE: Halten Sie die Sozialpartnerschaft für tot?

Schellhorn: Die Sozialpartnerschaft ist längst tot - nur weiß sie das noch nicht. Sie lebt von ihrer Funktion her noch immer im 20. Jahrhundert und scheint im 21. noch nicht angekommen zu sein. Ich bin kein Gegner der Sozialpartnerschaft. Sie soll weiterbestehen -aber in der Form einer effektiven Interessenvertretung auf Basis einer freiwilligen Mitgliedschaft. Als "Sozialpartnerschaft Neu" soll sie in Vertretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Löhne und Gehälter auch abschließen können.

Viele befürchten, dass mit dem Ende der Pflichtmitgliedschaft die Kammern an Schlagkraft verlieren werden.

Schellhorn: An Schlagkraft werden die Kammern durch die Freiwilligkeit nicht verlieren. Das ist nur ein Reflex, den einige befürchten. Wenn die Mitglieder spüren, dass sich die Kammern für sie einsetzen, werden sie als Interessenvertretung auch erfolgreich sein.

DIE FURCHE: Sie bezeichneten den aktuellen Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer unlängst als Staatskommissär der Regierung. Warum?

Schellhorn: Ich stelle fest, dass er heute nur das macht, was der Regierungschef am Ballhausplatz sagt, und nicht auf die Unternehmer hört. Ich brauche nur an seine sommerliche Aussage über den "nicht vorhandenen Fachkräftemangel" in Bezug auf die Abschiebepraxis der Regierung von Asyllehrlingen denken.

DIE FURCHE: Welche Schritte planen Sie als nächstes?

Schellhorn: Im Februar richten wir eine Whistleblower-Plattform namens "Wirtschaftskammer-Leaks" ein, weil wir wissen, dass es in den Innungen der WKO untergeordnete Vereine gibt. Diese werden nicht kontrolliert. In diesen wird derzeit viel Geld für den Wahlkampf der ÖVP gehortet. Das ist in unseren Augen aber eine versteckte Parteienfinanzierung, gegen die wir vorgehen werden.

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