"Es geht um Empowerment, nicht Charity!“

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Was brauchen Menschen in einem Land, das nach über 20 Jahren Bürgerkrieg darnieder liegt? Mary Akuot Ruun (Bild ganz rechts) hat nicht darüber philosophiert, sondern einfach die Betroffenen gefragt: Es war Ende 2007, als sie drei Tage lang durch ihr Heimatdorf vom Stamm der Dinka marschierte und die Frauen nach ihren größten Nöten fragte. Als sie später zurückkehrte, hatte sie 400 Moskito-Netze im Gepäck "Die Moskitos waren die Hölle“, erzählt die heute 55-Jährige bei ihrem Besuch in Österreich, "doch in einem einzigen Netz konnte eine ganze Familie ungestört schlafen.“ Bald danach kaufte sie eine Hirsemühle; später ein Boot, um auch in der Regenzeit nicht vollkommen von der Umwelt abgeschnitten zu sein; und schließlich reichten die Mittel sogar für ein Auto.

Finanziert wurde all dies und viel mehr vom 2007 gegründeten, österreichisch-südsudanesischen Entwicklungsprojekt "MiakWadang“, dessen Name in der Dinka-Sprache "Zukunft“ bedeutet. Ziel sind nachhaltige Investitionen für die Menschen im Bezirk Melut in der oberen Nil-Provinz des Südsudan - und eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe: Mary Akuot Ruun koordiniert die Abläufe vor Ort; ihr Counterpart, der Ganzheits-Mediziner Herbert Bronnenmayer (Bild Mitte), kümmert sich vom oberösterreichischen Kirchdorf an der Krems aus um finanzielle und ideelle Unterstützung. "Es geht um Empowerment - nicht um Charity!“, stellt er klar.

Die Geschichte der Freundschaft dieser beiden ist mit der Geschichte des jungen Staates Südsudan eng verwoben. Es ist das Jahr 1978, als sich Bronnenmayer entscheidet, mit seiner Familie im Rahmen einer internationalen Missionsgesellschaft in den Sudan zu gehen. Im Bezirk Melut baut er eine Basis-Grundversorgung auf, bekämpft die tödliche Infektionskrankheit "Kala-Azar“ - und stößt sich schon bald am "paternalistischen, neo-kolonialistischen“ Habitus der Missionare.

"Ein schwarzes Herz bekommen“

Lieber kooperiert er mit seinem Partner vor Ort, dem Presbyterianer-Pastor Haruun Ruun, der mit seiner Frau Mary Akuot und den vier Kindern neben ihm wohnt. "Damals habe ich ein schwarzes Herz bekommen“, erinnert sich der Arzt. Doch 1983, als der Bürgerkrieg erneut beginnt, kehrt er nach Oberösterreich zurück und die Freunde verlieren sich aus den Augen.

Während Bronnenmayer in seiner Heimat mit Menschen arbeitet, deren hektischer Lebensstil sie krank gemacht hat, entwickelt sich Haruun Ruun zu einer der prägendsten Figuren des Sudan: 1984 von seiner Kirche zum Theologie-Studium nach South Carolina geschickt, kehrt er 1994 in seine Heimat zurück, koordiniert während des Bürgerkrieges als Leiter des "New Council of Churches“ von Nairobi (Kenia) aus die kirchliche Hilfe für den Südsudan und befördert so den Friedensprozess, der 2005 zum Friedensschluss führt. Anschließend wird er Berater des sudanesischen Präsidenten Umar al-Baschir in Khartum.

Es ist um diese Zeit, als Herbert Bronnenmayer via Internet von der neuen Aufgabe seines alten Freundes erfährt. "Da habe ich gemerkt: Es wird wieder Zeit, sich zu engagieren“, erzählt der Mediziner. Gemeinsam mit einem kleinen Team fliegt er im April 2007 nach Khartum, trifft dort Mary Akuot Ruun - und besucht gemeinsam mit ihr das Dinka-Dorf von einst. Dort bietet sich ihnen ein Bild der Verwüstung. "Unsere Arbeit von früher war komplett zerstört“, erzählt Bronnenmayer. "Aber in den Köpfen der Menschen ist etwas geblieben.“

Ministersgattin und Dinka-Mädchen

Dieses kostbare "etwas“ nennt sich "Vertrauen“: in den Arzt, der einst Hunderte Menschen vor dem Tod durch "Kala-Azar“ gerettet hat; und in die Frau, deren Ehemann zwar 2008 zum Minister für humanitäre Angelegenheiten in Khartum und 2011 zum Berater des neuen südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir Mayardit avancierte - die in ihrem Herzen aber ein einfaches Dinka-Mädchen geblieben ist. Gemeinsam mit den Dorfbewohnern gelingt es den beiden, ein provisorisches Schulgebäude zu errichten. Über 200 Kinder werden in vier Schulstufen unterrichtet - und erhalten ein warmes Essen. "In Zukunft wollen wir die Schule bis zur achten Schulstufe führen“, erzählt Ruun von ihren Plänen. Auch der Ausbau des Schulgartens ist geplant.

Doch was, wenn der Grenzkonflikt mit dem Norden eskaliert und die mühsame Aufbauarbeit wieder zunichte macht? "In meinem Herzen glaube ich nicht, dass es wieder Krieg geben wird“, sagt Mary Akuot Ruun. Auch Herbert Bronnenmayer ist noch unbesorgt. "Aber sollte der Krieg tatsächlich über unser Dorf kommen, haben wir fünf Jahre lang so viel in die Herzen und Köpfe der Menschen investiert, dass wir beim nächsten Mal wieder anknüpfen können.“

Verein "MiakWadang“

Nähere Informationen unter www.miakwadang.at

Spenden an das Konto Nr. 5000-005008

Sparkasse Kremstal/Pyhrn, BLZ 20315

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