Freiheitsstatue auf dem Tisch, Demokratie im Kopf

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Dies ist eine Botschaft an das iranische Volk." Der Vorsitzende des Nobelkomitees, Ole Danbolt Mjös, ist sich der politischen Wirkung der Friedensnobelpreis-Vergabe für Shirin Ebadi bewusst: "Ich hoffe, dass die Friedenspreisverleihung an Ebadi die Sache der Menschenrechte in Iran stärken kann." Die fünf Mitglieder des Nobelkomitees in Oslo bleiben mit der Wahl Ebadis ihrem Ruf treu, auch den Mut zu überraschenden Entscheidungen zu haben.

"Politisches Werkzeug"

Die staatlichen iranischen Medien hatten am letzten Freitag nur mit mehrstündiger Verspätung über die Zuerkennung des Nobelpreises berichtet. Die fundamentalistische Sijasat-e-Rus nahm einen Bericht über die Entdeckung eines Friedhofs aus der Eisenzeit in Spanien auf die Titelseite. Jodhuri-e-Eslami berichtet auf Seite zwei kurz über das Ereignis unter der Überschrift: "Westen gibt Ebadi Friedensnobelpreis".

Ein iranischer Abgeordneter kritisierte, das Nobelkomitee sei von seinem Ziel abgewichen, den Frieden zu fördern. Es sei ein "politisches Werkzeug" in der Hand von Ausländern, die sich in die Belange des Iran einmischten. Der Nobelpreis unterstütze säkulare Bewegungen und stehe im Widerspruch zu den Idealen der Islamischen Revolution von 1979.

"Die Zeit der Revolution ist vorbei", hält Nobelpreisträgerin Ebadi dagegen. Die Iraner seien von 1979 tief enttäuscht. Ebadi spricht sich für eine Trennung von Religion und Staat aus und fordert tiefgreifende politische, gesellschaftliche und Bürgerrechts-Reformen: "Das islamische Recht muss durch ein modernes Strafrecht ersetzt werden, wie es in allen Demokratien existiert."

Ebadi betont dennoch, es gebe keinen Widerspruch zwischen dem Islam und den Menschenrechten. Daher sollten auch Vertreter des Islam ihre Ehrung begrüßen. "Ich bin Muslimin, man kann also Muslim sein und die Demokratie unterstützen." Die 56-jährige Juristin fordert außerdem die Freilassung von politischen Gefangenen.

Auf Ebadis Schreibtisch stand einmal ein Modell der New Yorker Freiheitsstatue. Das bedeutet aber keineswegs, dass die erst elfte Friedensnobelpreisträgerin in der über hundertjährigen Geschichte des Preises jemals ins Exil gehen wollte. Lieber bleibe sie im Iran, sagte Ebadi stets, und fordere die herrschenden Kleriker heraus. "Unsere von Männern dominierte Gesellschaft ist krank", proklamierte die Anwältin auf einer Kundgebung zum Internationalen Frauentag am 8. März in Teheran. "Sie achten nicht die Mütter, die ihnen das Leben gaben."

Kanzlei der Menschenrechte

Nachdem Ebadi 1979 im Anschluss an die Islamische Revolution zum Rücktritt von ihrem Amt als Richterin des Teheraner Stadtgerichts gezwungen worden war, gründete sie eine Kanzlei, die zum Zentrum der Menschenrechtsbewegung wurde. Oft übernimmt die couragierte Frau Fälle, die anderen Anwälten zu heikel sind. So stand sie Studenten nach den Unruhen an der Teheraner Universität 1999 bei. Von Hardlinern wurde sie deswegen als Feind des Systems gebrandmarkt. Mit dem Friedensnobelpreis besitzt Ebadi aber jetzt ein Zeichen international geachteter Art und Qualität, das sie gegen Haft, Hausarrest und sonstige Repressalien in Zukunft schützen sollte. WM/APA

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