Shirin Ebadi verweigert Stimmabgabe

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Das neue Jahr begann für die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi so, wie das alte aufgehört hatte: mit Drohungen und Angriffen. "Amerika und Israel begehen Verbrechen - Ebadi unterstützt sie!", skandierten rund 150 Demonstranten, die am Neujahrstag vor das Teheraner Haus der Menschenrechtsanwältin zogen. Dass Ebadi den israelischen Angriff auf Gaza schon zu Beginn der Offensive verurteilt und die Palästinenser unterstützt hatte, zählte für die aufgebrachte Menge nicht - das Schild ihrer Anwaltskanzlei wurde von der Wand gerissen und diese mit Parolen beschmiert. Erst nach Eintreffen der Polizei zog die aufgebrachte Menge weiter.

Mitte Dezember letzten Jahres war es die Polizei, die Ebadi verfolgt hatte. Zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Menschenrechte wollte Ebadi im von ihr gegründeten "Zentrum für Menschenrechte" eine Zeremonie abhalten - doch das Büro wurde von der Polizei durchsucht und wegen eines angeblich fehlenden Bestätigungsschreibens geschlossen. "Meine Aufgabe ist es, die Einhaltung der Menschenrechte im Iran zu beobachten, und ich lasse mich dabei von niemandem einschüchtern", hatte Ebadi wenige Tage davor bei einem Treffen mit der FURCHE in Danzig ihre Arbeit beschrieben. Ebadi war eine der Hauptrednerinnen bei den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Verleihung des Friedensnobelpreises an Solidarno´s´c-Mitbegründer Lech WaDl¸esa.

Unislamisch im Iran, islamisch im Ausland

Im Gegensatz zu anderen Referenten hielt sich Ebadi in Danzig kein Blatt vor den Mund und kritisierte scharf die weltweite Ungerechtigkeit und fehlende Solidarität, die Millionen Menschen in Hunger und Armut sowie in die Arme von radikalen politischen und religiösen Gruppen treibt. Ebadi verurteilte jede Form der Kriegsandrohung an den Iran und versteht auch nicht, warum ihrem Land die friedliche Nutzung der Atomenergie verweigert werden soll. Mit ihren kritischen Positionen zur einen wie zur anderen Seite hat sich Ebadi zwischen alle Stühle gesetzt: "Im Iran werde ich als unislamisch bezeichnet, aber für die iranische Opposition im Ausland gelte ich als pro- islamisch." Oberste Richtschnur für ihr Handeln sei aber nicht Politik oder Religion, sagt sie, sondern "die konkrete Auswirkung auf die Menschen".

"Die Suche nach Gerechtigkeit gibt meinem Leben Sinn", sagt Ebadi. "Gerechtigkeit ist das Wichtigste in meinem Leben." Schon als Kind ist sie anderen Kindern zu Hilfe geeilt, die geschlagen wurden. "Und ich habe selbst im Leben Schläge eingesteckt."

Auf die Frage, wen sie bei den Präsidentenwahlen im Juni unterstütze, antwortete Ebadi: "Ich gehe nicht zur Wahl, so wie bei den Wahlen 2005!" Ebadi protestiert mit ihrer Stimmverweigerung dagegen, dass der Wächterrat, der oberste Verfassungsrat des Irans, über die ideologische und religiöse Zuverlässigkeit der Kandidaten und damit über deren Zulassung entscheidet. Ebadi: "Das ist für mich keine Demokratie, denn in einer solchen entscheiden die Wähler."

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