Freude über Heimkehr, Stirnrunzeln über Lösegeld

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In der Wüste zählt ein Tag gar nichts", rechtfertigte ein Beamter im Berliner Außenministerium die Verzögerung bei der Freilassung der Sahara-Geiseln zu Beginn dieser Woche. So wurde es auch Montag Nacht bis die Nachricht von der geglückten Befreiung der 14 Wüstenfahrer offiziell bestätigt werden konnte.

Dass die Nacht mehr zählt als der Tag, mussten die neun Touristen aus Deutschland, die vier Schweizer und der eine Holländer schon in den letzten sechs Monaten, die sie in den Händen ihrer Entführer verbrachten, erfahren. Um den Aufklärungsflugzeugen, die in der algerischen Wüste nach den Vermissten suchten, zu entkommen, marschierten die Entführer nur während der Dunkelheit und hielten sich am Tag in Höhlen versteckt. Außerdem waren die Geiseln in kleine Gruppen aufgeteilt und über Hunderte Kilometer in der Wüste verstreut.

Glücksfall Mali

Als entscheidender Glücksfall, der zum guten Ausgang des Dramas geführt hat, muss der Grenzübertritt der Entführer samt Geiseln von Algerien nach Mali gewertet werden. Die Regierung in Mali, lobten Beobachter, ließ dem deutschen Außenamt wesentlich freiere Hand als zuvor die Algerier. Und der deutsche Staatssekretär im Außenamt, Jürgen Chrobog, nützte diese Chance. Nach der gewaltsamen Befreiung von 17 der 32 Geiseln in einer Kommandoaktion am 13. Mai wollte er auf keinen Fall erneut auf Gewalt setzen. Chrobog vertrat die Ansicht, dass es sich bei den Entführern um eine wild entschlossene und schwer bewaffnete Splittergruppe der islamistischen Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSCP) handelt. Jede neuerliche militärische Bedrohung könnte bei dieser Gruppe, die von Schmuggel, Mord und Entführungen lebt zu Kurzschlusshandlungen führen und das Leben der Geiseln gefährden.

Verhandeln statt Gewalt

Chrobog setzte auf zeitweilig sogar tägliche Unterredungen mit den Entführen per Satellitentelefon. "Verhandlungen wurden dabei keine geführt", betont nach wie vor das Außenamt und auch Lösegeldzahlungen werden bestritten. Tatsächlich dürften aber gerade diese beiden Lösungsstrategien das Überleben der Geiseln gesichert haben.

An diesem Punkt setzt nach der Rückkehr der Wüstenfahrer die Kritik ein. Ein langjähriges Mitglied des Auswärtigen Ausschusses in Deutschland spricht in der Welt von einem "Quantensprung", der fatale Folgen für die Sicherheit deutscher Touristen haben werde. "Nachahmereffekte" seien nicht auszuschließen, denn anders als im Fall der auf der Insel Jolo entführten deutschen Familie Wallert lasse sich die Lösegeldzahlung für die Sahara-Reisenden nicht mehr verbergen. Von rund fünf Millionen Euro Lösegeld ist die Rede.

Ärmstes Land muss zahlen

Zahlen muss zunächst die malische Regierung. Deutschland wird das viertärmste Land der Welt, bei dem "man nun tief in der moralischen Schuld stehe", mit Entwicklungshilfeprojekten und Direktlieferungen entschädigen. Und die deutsche Regierung hofft, dass das Geld nicht dazu beiträgt, die Region durch massive Waffenkäufe zu destabilisieren.

Das Geld für GSCP wird aber jedenfalls "ein gewaltiges Stirnrunzeln" bei den Partnern im Kampf gegen den internationalen Terrorismus auslösen, fürchtet man im deutschen Außenamt.

Und schon regt sich Kritik an der "Vollkaskomentalität" vieler Abenteuerurlauber, die sich leichtsinnig in Gefahr begeben und darauf vertrauen, dass sie der Staat schon wieder irgendwie "rausboxt". Aber noch sind diese Stimmen verhalten, noch steht die Freude über die geglückte Heimkehr der 14 Männer und Frauen im Vodergrund. "Man will ja nicht gleich als eiskalte Sau dastehen", hieß es inoffiziell von einem Offiziellen dazu. WM

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