Granit, brutal geknebelt

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Afrikanischen Granit hat die Bildhauerin Ulrike Truger als Material für ihren "Marcus-Omofuma-Stein" gewählt. Schwarze Schönheit und grauenvolle Marter soll das Kunstwerk symbolisieren. Ein Aufstellplatz wird noch gesucht.

Vor dem Staatsatelier für Bildhauer in der Wiener Krieau kreischt die elektrische Trennscheibe, fliegen Steinspäne, staubt eine Wolke empor. Ulrike Truger arbeitet im Schutzoverall an einem großen schwarzen Stein: "Nero Assoluto", afrikanischer Granit, eines der härtesten und schwersten Materialien. Die Bildhauerin hat den Stein bewusst gewählt, weil es sich bei dem Werkstück um einen Gedenkstein für den Afrikaner Marcus Omofuma handelt. Der Nigerianer starb am 1.Mai 1999 bei seiner Abschiebung aus Österreich. Er wurde von den begleitenden Polizisten mit Klebeband verschnürt und geknebelt, wodurch er qualvoll erstickte.

Ulrike Truger: "Für mich symbolisiert der Stein die Schönheit, die Kraft und den Stolz der Afrikaner. In meiner Bearbeitung drücke ich die Brutalität von Omofumas Tod aus, sein Eingebunden- und Eingeschnürt-Sein." Auch die Verwendung der elektrischen Trennscheibe ist ungewöhnlich, normalerweise arbeitet Truger mit Hammer und Meißel. "Ich benutze die Trennscheibe, weil der Stein so hart ist. Zugleich drückt es für mich auch die Marter von Omofumas Behandlung aus." Die Idee zu dem Gedenkstein hatte Ulrike Truger im vergangenen Jahr. Sie erstellte ein 50 Zentimeter hohes Modell: "Als ich an dem Modell gearbeitet habe, ist in mir die Wut hochgekommen." Truger weist auf aktuelle Untersuchungsergebnisse hin, die belegen, dass der Rassismus in Österreich in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Wächterin und Kaiserin

"Ich habe für die Skulptur eine eindrucksvolle, aber reduzierte Form gewählt, weil man mit der Darstellung von Emotionen vorsichtig sein muss, damit die Botschaft auch vom Betrachter angenommen werden kann." Für sie ist die Schnittstelle von Kultur und öffentlichem Raum wichtig. Ihr Wunsch ist es, den Marcus-Omofuma-Stein an einem belebten Platz in der Wiener Innenstadt aufzustellen, damit möglichst viele Menschen ihn sehen.

Schon früher hat sich Truger mit solchen Mahnmalen "zu Wort" gemeldet. Im Frühjahr 2000 stellte sie vor dem Burgtheater eine "Wächterin" über den Fortgang österreichischer Politik auf. Ihre "Elisabeth" vor der Karlskirche zeigt die Kaiserin von ihrer melancholischen depressiven Seite: immer unterwegs, immer auf der Flucht, nie ganz zu erfassen. Für ihre Arbeiten und Ausstellungen erhielt die Bildhauerin zahlreiche Preise. Worauf sie besonders stolz ist: als einzige Frau hat sie ein Staatsatelier im Prater zur Verfügung gestellt bekommen. Seit langem plant Truger auch eine Skulptur für eine interreligiöse Begegnungsstätte auf der Donauinsel. Das Objekt heißt "Tisch der Götter". Drei Säulen symbolisieren die monotheistischen Religionen. Eine Platte als Dach stellt die Verbindung zwischen Himmel und Erde, Gott und Menschen dar. Das Projekt wurde u.a. von Kardinal König sowie Prinz Hassan von Jordanien befürwortet, bis jetzt hat sich jedoch keine Finanzierung gefunden. Um den Marcus-Omofuma-Stein zu finanzieren, hat Truger zehn Bronzeabgüsse angefertigt, die sie verkauft. Der Gedenkstein wird bis Ende Mai fertig. Und Ulrike Truger hofft, dass dann auch ein entsprechender Aufstellplatz zur Verfügung gestellt wird.

Die 50 cm hohen Bronzeabgüsse des Marcus-Omofuma-Steins können im Atelier von Ulrike Truger erstanden werden.

Auskunft unter Tel.: 01/728 00 28

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