Zehn Jahre nach Omofuma: Rassismus bei der Polizei

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Menschenrechtsorganisationen beklagen den "institutionellen Rassismus"; laut Innenministerium könne es heute keinen Fall Omofuma mehr geben.

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Menschenrechtsorganisationen beklagen den "institutionellen Rassismus"; laut Innenministerium könne es heute keinen Fall Omofuma mehr geben.

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Nero Assoluto, schwarzen afrikanischen Granit hat die Bildhauerin Ulrike Truger als Material für ihren "Marcus-Omofuma-Stein" gewählt. Das Denkmal für den am 1. Mai 1999 bei einer Abschiebung ums Leben gekommenen Nigerianer steht seit bald sechs Jahren an der Kreuzung Mariahilfer Straße/Wiener Museumsquartier. Afrikanischer Granit ist eines der härtesten und am schwersten zu bearbeitenden Materialien. Truger musste den Stein mit einer elektrischen Trennscheibe modellieren. "Für mich symbolisiert der Stein die Schönheit, die Kraft und den Stolz der Afrikaner", sagte Truger bei der Herstellung des Monuments im FURCHE-Gespräch, und: "In meiner Bearbeitung drücke ich die Brutalität von Omofumas Tod aus, sein Eingebunden- und Eingeschnürt-Sein."

Am zehnten Todestag von Marcus Omofuma startet eine Demonstration, getragen von mehr als 20 Menschenrechts- und anderen Organisationen, am Omofuma-Stein. "Mord verjährt nicht", lautet das Motto der Kundgebung. Zur Erinnerung und Klarstellung: Die drei damals der Verschnürung und Knebelung Omofumas angeklagten Wiener Fremdenpolizisten wurden wegen "fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" zu je acht Monaten bedingter Haft verurteilt.

Für Asyl in Not-Obmann und einen der Demo-Organisatoren Michael Genner sind das "lächerlich geringe Strafen" mit keinerlei Abschreckungseffekt. "Wir klagen dieses System an", nennt Genner ein Ziel der Demonstration. Ein Polizei- und Justizsystem, dem Anfang des Monats von Amnesty International (ai) "institutioneller Rassismus vorgeworfen" wurde. Damien Agbogbe, Vorsitzender der Wiener Integrationskonferenz, stimmt zu: "Der Tod von Marcus Omofuma zeigt, dass man in diesem Land rassistisch sein kann, ohne bestraft zu werden."

Nur kosmetische Veränderungen

Und der nach dem Omofuma-Tod eingeführte Menschenrechtsbeirat oder die Begegnungen zwischen Migranten und Polizei - was haben diese Reformen gebracht? Agbogbe, selbst einmal von der Kronenzeitung als "schwarzer Drogenboss" diffamiert, gerichtlich rehabilitiert und finanziell entschädigt, schüttelt den Kopf: "Das waren nur kosmetische Änderungen, das hat nur Wind gebracht!" Zum Beweis zählt er die Namen von bei Polizeieinsätzen getöteten oder misshandelten Schwarzen in den letzten Jahre auf: Cheibani Wague - fahrlässige Tötung, Bakary I. - misshandelt und schwer verletzt, Mike Brennan - schwer verletzt …

Für Philipp Sonderegger von SOS Mitmensch liegt das Übel nach wie vor darin, dass sich "Innenministerium und Polizeispitze weigern, die strukturelle Dimension von Rassismus zu sehen". Sonderegger wirft den Behörden vor, Menschenrechtsverletzungen mit rassistischem Hintergrund noch immer als zufällige und singuläre Ereignisse anzusehen: "Politik und Polizeiführung müssten einräumen, dass es wie in allen anderen Ländern auch in Österreich ein Problem mit Rassismus gibt."

Nach dem Verhältnis zwischen Exekutive und afrikanischer Community in Österreich befragt, verweist das Innenministerium auf den Verein "Fair und sensibel - Polizei und AfrikanerInnen", auf gemeinsame sportliche und kulturelle Veranstaltungen und auf Seminare, die im Wege der Grundausbildung alle Polizeibeamten erreichen. Fächerübergreifend behandelte Inhalte wie Menschenrechte, Ethik, Gesellschaftslehre, polizeiliches Handeln in einer multikulturellen Gesellschaft seien darauf ausgerichtet, gegenseitiges Verständnis zu fördern und allenfalls vorhandene Vorurteile abzubauen. Zehn Jahre nach Omofuma darf laut Innenministerium "davon ausgegangen werden, dass alles dazu getan wurde, um einen ähnlich gelagerten Fall nicht mehr passieren zu lassen".

Um derartiges zu verhindern, wurde auch der Menschenrechtsbeirat (MBR) gegründet. "Beschäftigungstherapie für Kritiker" lautet die Befürchtung über den Wert dieser Institution. UN-Menschenrechtsexperte Manfred Nowak zieht kein so negatives Resümee: Trotz aller Einschränkungen nennt er den MBR eine "Erfolgsstory": "Der Beirat ist eine sinnvolle Organisation, kann aber nur so effizient sein, wie die politischen Entscheidungsträger bereit sind, Empfehlungen umzusetzen." Das Hauptproblem sieht Nowak in der Fremdenpolitik: Das Fremden- und Asylrecht ist "sehr, sehr hart" und "eigentlich immer an der Grenze zur Menschenrechtswidrigkeit".

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