6774814-1969_18_05.jpg
Digital In Arbeit

Harte Mediziner

Werbung
Werbung
Werbung

Zwölf Tage vor den Ärztekammerwahlen in der Steiermark und tu Oberösterreich billigte die Bundesregierung jene Novelle, daß dei sogenannte Versorgungsfonds für die Medizinerpensioniisten auch weiterhin bestehen bleiben kann. Bis 31. Mai nämlich, so forderte der Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom Dezember 1968, müsse die gesetzliche Lücke gefüllt sein, widrigenfalls die Pensionsfonds der Länderärztekammern auslaufen würden.

Umgehend setzte Sozialminister Grete Rehor ihren ministeriellen Apparat in Bewegung und ließ eine entsprechende Novelle ausarbeiten, die am 9. April dem Ministerrat zur Billigung vorgelegt, von diesem jedoch zurückgestellt wurde. Dies just zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ärzte in harten Verhandlungen mit den Kassen lagen.

In dieser Situation griff die von Ärzteseite zwar gründlich, natürlich jedoch zweckentsprechend einseitig informierte Tagespresse ein und stellte die Rückstellung der Ärztege-setznovelle als ein Junktim des Problems der Ärztepensionsfonds mit dem Verhandlungsablauf zwischen Ärzten und Kassen dar. Vor allem „Die Presse“ sprang für die Ärzte in die Bresche und bezeichnete die Rückstellung der Gesetzesvorlage als den Teil einer „konzentrierten Aktion von Krankenkassen, Gewerkschaften und Regierung“, als „große Scheiter“ zu dem Feuer, „auf dem die Ärzte gargekocht werden sollen“. Zwar versuchten Regierungskreise zu dementieren, daß es sich um ein Junktim handle, doch ging man dabei zu spät und vor allem zu unkoordiniert vor: Erstens wurde versäumt, noch am Tage des Rück-stellungsministerrates deutlichst festzustellen, warum wirklich die Billigung der Novelle rücktermini-siert wurde, zumal die Ärzte schon kurz nach der Regierungssitzung miit entsprechender Mundpropaganda das „Junktim-Gerücht“ ausstreuten und zweitens versicherten, daß die für die Ärzte wächtige Novelle liegengeblieben war. Allen voran die „Umgebung von Minister Rehor“, wie „Die Presse“ noch am 12. April zu berichten wußte, betonte, daß „die Initiative zu dem Junktim nickt vom Soziialmdnisterrum ausgegangen sei“ und man dort die „entstandene Situation als eher unglücklich“ empfindet. Was nur noch die ÄratePropaganda bestärkte, daß es sich doch um ein Junktim handelt.

Regierungsmitglieder versuchten dann zwar in Gesprächen mit den Ärzten und mit lancierten Meldungen festzustellen, daß die Novelle lediglich aus sachlichen Einwänden zurückgestellt worden war und sie noch rechtzeitig in Kraft treten werde, doch kamen sie damit in dem Durcheinander sich widersprechender Versionen nicht mehr durch; die Ärzte hatten vorläufig propagandistisch die Oberhand gewonnen. Dies aber war gerade für die Ärztegruppe um Ärztekammerpräsident Daume von größter Bedeutung, da sie sich keinen besseren und billiger ins Haus gelieferten Wahlschlager für die am 10. Mai in Oberösterreich und in der Steiermark stattfindenden Ärztekammerwahlen wünschen konnte. Sie griff die ÖVP-Regierung an und leitete die Angriffslinie auf die der ÖVP zugehörende „Vereinigung österreichischer Ärzte“ über, die bei den Wahlen Daumes Gegner sind. Ärztekammerpräsident Daume, der seine Wahlkämpfe „parteiunabhän-gig“ führt, ließ in seinem publizistischen Sprachrohr „Arzt im Bild“ zum „Junktim“ feststellen: „Die Versorgung alter Ärzte, der Witwen nach Äraten, der Waisen und kranken Personen kann niemals Gegenstand eines politischen Kuhhandels sein!“ Und aggressiver werdend meinte ,Arzt im Bild“ sogar: „Faktum ist, daß tatsächlich juridische Gutachten angedeutet haben, daß die Bundesregierung oder einzelne Mitglieder derselben sich auf der gefährlichen Ebene eines flagranten Rechtsbruches sowohl in strafrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht bewegt haben, wenn sie versucht haben, mit Hilfe einer ,Nötigung' den gesamten Stand zu bestimmten Maßnahmen zu veranlassen.“

„Selbstredend“, meint man dazu in ÖVP-Ärztekredsen, „verschwieg das Daume-Biatt die Tatsache, daß auch dann keine ,Lücke' in der Pensions-versorgumg der Ärzte hätte eintreten müssen, wenn die Gesetznovelle nicht bis 31. Mai, sondern erst etwas später verabschiedet wird, da in den Fondskassen genügend finanzielle Mittel liegen, um die Pensionen zumindest noch bis Dezember auszubezahlen. Sicher hätten auch die „ÖVP-Ärzte“ ein Junktim abgelehnt und wären sogar gegen die eigene Regierung aggressiver vorgegangen, doch habe es ja in Wirklichkeit nie ein Junktim gegeben.“ Lediglich aus wahltaktischen Gründen gaben die wahlwerbenden ÖVP-Ärztegruppen in einer Flugschrift zu erkennen, daß auch sie ein Junktim nicht dulden könnten.

Offensichtlich, um dieser Ärztegruppe Wahlschützenhilfe zu geben, ließ Sozialminister Grete Rehor am 23. April über den ÖVP-Pressedienst mitteilen, daß von einer Junktimie-rung der beiden Ärztefragen nie die Rede war, die Novelle rechtzeitig in Kraft treten werde und es sich im übrigen bei der Junktim-Behauptung um eine wahtaktische Überlegung „einer Gruppe von Ärzten“ handelt, „die am 10. Mai ihre Standesvertretung in der Steiermark und in Oberösterreich neu wählen werde“. Am darauffolgenden Tag meldete gleichfalls der ÖVP-Pressedienst, die Frau Sozialminister werde die umstrittene Novelle schon am 28. April dem Ministerrat ein zweiitesmal vorlegen.

Jedenfalls steht nunmehr fest, daß die, laut Ärztekammerpräsident Daumes Zeitung „Versorgung alter Ärzte, der Witwen nach Ärzten, der Waisen und kranken Personen“, nicht gefährdet ist, aber für die Daume-Gruppe ein guter Wahlschlager war.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung