Maria für Kirchenreformer

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Als auf Grund des Fußwallfahrtenbooms viel beschäftigter Wallfahrtsbegleiter komme ich seit einiger Zeit bei den Anmärschen auf Mariazell so ins Sinnieren darüber, warum Maria in der Sicht der Kirchenreformbefürworter weitgehend ausgeblendet bleibt. Und ob es nicht gelingen könnte, Maria aus der Kaperung durch die Verteidiger des kirchlichen Status quo (oder auch davor) zu befreien und sie als Schlüsselgestalt für den allzeitigen Reformauftrag wieder zu entdecken.

Es hat beträchtliche Sprengkraft, wenn das II. Vaticanum Maria "Typus der Kirche" und "klarstes Urbild im Glauben und in der Liebe" (Lumen gentium 53) nennt. Das heißt nämlich umgekehrt, dass ständig kritisch zu überprüfen ist, was nach und nach so alles dazugekommen ist in dieser Kirche. Und dass Maß zu nehmen ist an dieser einfachen Frau, die Magd des Herrn - und niemandes sonst - ist: "ganz im Dienst am Werk ihres Sohnes" (Lumen gentium 56). Die das Lukasevangelium darüber jubeln lässt, dass Gott "die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht, die Hungernden beschenkt und die Reichen leer ausgehen lässt" (Lk 1,52 f.). Welche europäische Bischofskonferenz würde heute solche Ansagen wagen? Dagegen sind ja sogar die "linksten" Sozialenzykliken geradezu kleinlaut. Kein Wunder, dass Maria in der Version durchschnittlicher Maiandachten weit beliebter ist. Als "Typus" einer sich ständig auf den Kernauftrag hin vereinfachenden und mutig für eine gerechtere Welt eintretenden Kirche könnte ihr indes die Schlüsselstellung für Kirchenreformbestrebungen zukommen.

Vielleicht ist es aber auch die einfache Holzstatue unter dem Krönchen und dem schön gestickten Mäntelchen mitten in der barocken Silberpracht des Mariazeller Gnadenaltars, die mich auf solche Gedanken bringt ...

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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