Menschenrecht für den Diktator?

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Menschenrechte gelten für Folterer und Opfer. Was nicht gilt, ist das Ausnützen der Menschenrechte für politische Zwecke.

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Menschenrechte gelten für Folterer und Opfer. Was nicht gilt, ist das Ausnützen der Menschenrechte für politische Zwecke.

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Menschenrechte sind unteilbar und universell, sie schützen jeden Menschen in jedem Land. Den Folterknecht ebenso wie sein Opfer, den Terroristen ebenso wie Soldaten und Polizisten und gleichermaßen den Kindesentführer wie jene, die ihn verhören. Deshalb ist Folter in jedem Fall inakzeptabel, deswegen kann es auch nie ein vernünftiges Argument für die Todesstrafe geben.

Und deshalb irrte jener Kommentator, der meinte, daß die britische Regierung Augusto Pinochet mehr Menschenrechte zugestehen würde als dieser seinen Opfern, falls die Briten Pinochet nach Chile zurückreisen ließen. Es gibt nicht mehr oder weniger Menschenrechte, sondern nur Respektierung der unteilbaren Menschenrechte oder eben nicht. Menschenrechte können auch nicht zugestanden werden, sie sind unabdingbarer Teil unserer Menschenwürde, völlig unabhängig davon, was wir tun, lassen oder aus unserem Leben machen.

Deshalb kein Verfahren gegen Augusto Pinochet, wenn er tatsächlich nicht verhandlungsfähig wäre, keine Haft für verurteilte Menschenrechtsverbrecher, wenn sie haftunfähig sind. Fragen der Verhandlungsfähigkeit sollen aber nicht primär den Beschuldigten schützen, sondern das rechtmäßige Verfahren selbst: Dieses benötigt unparteiische, unbefangene Richter, kompetente Anwälte, fundiert arbeitende Ankläger und eben einen Beschuldigten, der in der Lage ist, dem Verfahren zu folgen. Fehlt eines dieser Elemente, kann es kein korrektes Verfahren geben.

Alle diese Faktoren sind von einer unabhängigen Justiz, bei Bedarf unter Einbeziehung unabhängiger Sachverständiger vor Verfahrensbeginn zu prüfen und streng sachlich zu entscheiden. Nicht aber von Politikern, die den verschiedensten Opportunitäten verpflichtet sind, schon gar nicht von Vertrauensärzten des Beschuldigten, ohne zumindest medizinische Sachverständige der Kläger beizuziehen - in diesem Fall Spaniens und anderer Staaten, die im Namen vieler Menschenrechtsopfer Auslieferungsanträge gestellt haben.

Wenn der britische Innenminister aus sehr durchsichtigen Motiven heraus auf Drängen seiner wahlkämpfenden chilenischen Parteifreunde aus "humanitären Gründen" in den Auslieferungsprozeß eingreift, ist dies schon bedenklich genug. Wenn er dann zur Wahrung eines Anscheins von Ausgewogenheit auch noch Spanien und die anderen Kläger auffordert, zu seinem menschenrechtsverachtenden Vorhaben Stellung zu nehmen, ohne ihnen zumindest Einsicht in seine sogenannten medizinischen Gutachten zu gewähren, gibt er das System, das er vertritt, endgültig der Lächerlichkeit preis.

Schlimm genug, es ändert aber nichts daran, daß den Pinochets dieser Welt längst klar geworden ist, daß sie sich nie mehr vor einer Verfolgung ihrer Verbrechen sicher fühlen werden können. Und das ist das bei weitem wichtigste Ergebnis dieses Verfahrens.

Der Autor ist Generalsekretär von amnesty international Österreich.

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