"Neger"-Akte bleibt offen

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Die Plattform "Land der Menschen" garantiert, dass die "Scheiß Neger"-Beschimpfung durch einen Polizisten kein Kavaliersdelikt bleibt. Die Kosten für eine Privatklage werden übernommen.

Die Akte Sedou Nkumba-Tossanga bleibt in jedem Fall offen - wie auch immer die von Justizminister Dieter Böhmdorfer beantragte Überprüfung des "Scheiß-Neger-Urteils" ausgeht. Michael Schleich, Sprecher der oberösterreichischen Plattform "Land der Menschen", bestätigt gegenüber der Furche, dass die überparteiliche Gruppierung "eventuelle Kosten übernimmt", die bei einer Privatklage gegen den ausfällig gewordenen Polizisten anfallen könnten.

Letztes Jahr in Linz. Eine Lenkerkontrolle ohne Zwischenfälle. Doch dann schimpft der Polizist: "Scheiß Neger". Da war es mit der Normalität schlagartig zu Ende. Mit diesen zwei Worten, so berichtet Sedou Nkumba-Tossanga, hätte ihn der Polizist beschimpft. "Und das nur, weil ich meine Papiere wieder haben wollte", erzählt der Mann, der mit Familie in Österreich lebt. Dem als Flüchtling anerkannten Afrikaner verschlug es die Sprache. Vorerst.

Feindselige Handlung

Nkumba-Tossanga wollte den Vorfall nicht auf sich ruhen lassen. Er wollte, dass sich der Polizist vor Gericht verantworten muss. Wie erhofft, brachte die Staatsanwaltschaft Linz einen Bestrafungsantrag gegen den Beamten ein und wollte den Fall verfolgen. Tatbestand: "Verdacht einer feindseligen Handlung gegen eine Rasse." Der Fall kam vor Gericht. Verhandelt wurde aber nicht, weil das Bezirksgericht das Verfahren einstellte. Dagegen legten sowohl der Staatsanwalt als auch Nkumbas Rechtsanwalt Helmut Blum (siehe Interview auf dieser Seite) sofort Beschwerde ein. Der Fall ging zum Landesgericht Linz in die zweite Instanz und auch dort war man der Meinung: "Scheiß Neger" verstößt nicht gegen die Menschenwürde. Das Verfahren wurde eingestellt. Auch hier gab es somit kein Urteil.

Staatsanwalt berechtigt?

Ob der Polizist mit seinem Ausspruch gegen ein Gesetz verstoßen hat und ob er dafür bestraft werden muss, damit hat sich das Gericht nicht befasst. Es ging einzig darum, ob der Staatsanwalt überhaupt zur Anklage berechtigt sei oder ob Nkumba-Tossanga selbst privat klagen muss. Grundsätzlich müssen Beleidigungen vom Beleidigten selbst zur Anklage gebracht werden. Oft ein teures Unterfangen. In solchen Fällen aber, in denen etwa die Menschenwürde verletzt wurde, kann auch der Staatsanwalt von sich aus tätig werden. Das erwartete Nkumba-Tossanga, denn vor der Unterstützung durch "Land der Menschen" sah sich der Flüchtling außer Stande, eine teure Privatanklage leisten zu können.

Der zuständige Richtersenat begründete seine abschlägige Meinung folgendermaßen: Ein Verstoß gegen die Menschenwürde läge nur dann vor, wenn jemandem "unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird". Dies wäre der Fall, wenn Personen als "Untermenschen" bezeichnet werden oder wenn geäußert werde: "Man soll sie vergasen oder vertilgen." Wenn also mit der Bezeichnung "Scheiß Neger" Äußerungen verbunden würden wie "ihr gehört alle weggeräumt", so wäre die Menschenwürde verletzt. "Mit der bloßen Verwendung des Wortes Scheiß... wird jedoch nur der Unmut gegenüber einer Person bekundet, nicht jedoch das Lebensrecht einer Person generell abgesprochen."

Dann kommt der Linzer Richtersenat zu dem Schluss: "Die Äußerung Scheiß Neger' stellt einen Angriff gegen das Persönlichkeitsrecht der Ehre dar, verletzt als bloße Unannehmlichkeit jedoch nicht die Menschenwürde." Die Ehrenbeleidigung richte sich gegen eine individuell bestimmte Person, "die zufällig der schwarzen Rasse angehört und nicht gegen die schwarze Rasse als solche. Eine die Menschenwürde verletzende Beschimpfung der schwarzen Rasse konnte diese Äußerung daher nicht begründen".

Minister für Überprüfung

Justizminister Böhmdorfer hat nach Bekanntwerden dieses Richterspruchs die Generalprokuratur beauftragt, beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Überprüfung zu beantragen. Das Urteil habe "Irritationen" ausgelöst, meint Böhmdorfer, deshalb sei es "notwendig und richtig", es zu überprüfen. "Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes geben", lautet auf Nachfrage der Furche die gegenwärtige Einschätzung im Justizministerium. Der OGH wird dann das Urteil überprüfen. Wie lange das Procedere noch dauern wird, ist jedoch ungewiss. "Solche Verfahren sind sehr selten", gibt das Justizministerium Auskunft.

Einzelfall?

Der Justizminister verweist aber darauf, dass Beschimpfungen im Zusammenhang mit "Scheiß" regelmäßig bestraft würden. Vom OGH erwarte er Klarheit darüber, ob das Urteil des Landesgerichts Linz ein Einzelfall, etwa eine falsche Entscheidung gewesen sei. Sollte dies der Fall sein, könne man davon ausgehen, dass beim nächsten Mal wieder richtig entschieden wird. Befinde der OGH aber, dass das "Urteil" zu Recht gefallen sei, will der Minister die Ehrenbeleidigungstatbestände im Strafrecht überprüfen lassen.

Sedou Nkumba-Tossanga hat inzwischen wenigstens die Gewissheit, dass sein Akt offen bleibt. Mit Hilfe der Plattform "Land der Menschen" kann er weiterhin dafür streiten, dass eine rassistische Beschimpfung nicht als Kavaliersdelikt abgetan wird.

Der Autor ist freier Journalist in Linz.

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